Im Nachbarschaftsgarten Heigerlein im 16. Wiener Bezirk wird seit 2008 gemeinsam gegärtnert.

Foto: Nadja Madlener

Nadja Madlener: "Menschen brauchen Grün in der Großstadt. Auch Grün, das sie selbst gestalten."

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Ein zuvor anonymer urbaner Raum wird durch die Gartennutzung zur Schnittstelle von Nachbarschaftskontakten.

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Gemüse aus dem eigenen Garten – davon träumen viele und vor allem für Stadtbewohner bleibt dieser Wunsch meist unerfüllt. Nicht jedoch für solche, die bereits ein Beet in einem Gemeinschaftsgarten haben. Im Nachbarschaftsgarten Heigerlein im 16. Wiener Gemeindebezirk zum Beispiel sprießen seit April 2008 neben großen Sonnenblumen unter anderem knackige Radieschen, Spinat, Zucchini, Tomaten und verschiedenste Salate.

Gemeinschaftsgärten vernetzen

"Ich bin eine Verfechterin des 'fußläufigen Grüns' – wir sollten nicht an den Stadtrand fahren müssen, um im Grünen zu sein, sondern zu Fuß Grünes erreichen können", findet Nadja Madlener vom Netzwerk Gartenpolylog. Sie selbst ist mit dem Thema Gemeinschaftsgärten vor einigen Jahren in Berlin in Kontakt gekommen. Zurück in Wien gründete sie 2007 mit Ursula Taborsky und anderen Interessierten den Verein Gartenpolylog "mit dem Ziel, einerseits die Idee des Community Gardenings zu verbreiten und dann in Folge Projekte zu vernetzen, andererseits auch um selbst Projekte zu initiieren."

Erster Wiener Nachbarschaftsgarten

Bereits im selben Jahr setzte der Verein im Rahmen des Kunst- und Kulturfestivals SOHO in Ottakring im Huberpark den "Yppengarten" als erstes Gartenprojekt im öffentlichen Raum um, wo eine Saison lang fleißig und erfolgreich gegärtnert wurde. Im Anschluss bildete der Gartenpolylog mit den Wiener Stadtgärten eine Pilotgruppe, um gemeinsam einen ersten Wiener Nachbarschaftsgarten einzurichten.

Der so entstandene Heigerleingarten befindet sich in der Heigerleinstraße nördlich der Seeböckgasse inmitten eines Wohngebiets. Die GärtnerInnen sind meist Familien mit Kindern, aber auch allein stehende Personen. "Wir wollen mit dem Nachbarschaftsgarten in Ottakring die hiesige Bevölkerungsstruktur widerspiegeln," so Nadja Madlener. "Bei uns machen Familien aus der Türkei, Polen, Afghanistan, China, dem Iran, Vietnam, Serbien und natürlich aus Österreich mit."

Außerdem gibt es soziale Institutionen, die ein Beet mit ihren KlientInnen betreuen, auch Kinder des benachbarten Kindergartens betätigen sich als GärtnerInnen. "Ganz wichtig ist auch das Nachbarschaftszentrum 16 am Stöberplatz, das ebenfalls ein Beet betreut und Kräuter für seine Lebensmittelverteilung anbaut," ergänzt Madlener, die selbst eine kleine Fläche im Heigerleingarten pflegt. Mittlerweile wurde der Garten von den Initiatoren vollständig in die Hände der GärtnerInnen übergeben, die im vergangenen Winter einen eigenen Verein gründeten.

Revitalisierung von ungenutzten Flächen

Die Idee der Gemeinschaftsgärten geht auf die seit den siebziger Jahren in New York entstandenen "Community Gardens" zurück, die auf brachliegenden Flächen inmitten urbanen Umfelds entstanden und zu einer Revitalisierung und Aktivierung des Stadtteils führten. In Deutschland begannen Mitte der neunziger Jahre Frauen aus Bosnien, die aufgrund des Krieges ihre Heimat verlassen mussten, gemeinsam Gärten zu pflegen. In Österreich entwickelten sich ähnliche Projekte erst in den letzten Jahren und die Nachfrage wird seitdem stetig größer.

Biodiversität und Demokratie

Neben der kulturellen Diversität spielt auch die biologische Vielfalt im Gemeinschaftsgarten eine bedeutende Rolle. Durch die unterschiedliche Herkunft der GärtnerInnen entsteht auf kleinem Raum eine beachtliche Biodiversität. Außerdem sind Gemeinschaftsgärten politische und soziale Handlungsräume im Kleinformat. Auf offen-demokratische Weise wird verhandelt, wer für welche Belange zuständig ist. "Die Gemeinschaftsflächen werden mit einem Arbeitsplan organisiert," erklärt Madlener das Vorgehen im Heigerleingarten. "Es gibt auch Laubrechendienste und einmal pro Monat ein Gartentreffen, wo alle Gartenbelange besprochen und entschieden werden."

Warteliste für Beete

Im Heigerleingarten sind derzeit alle Beete vergeben. Bereits zu Beginn des Nachbarschaftsgartens gab es viel mehr Interessierte als Plätze und die Beete mussten ausgelost werden. Es gibt aber eine Warteliste: Während des Winters springen ab und zu GärtnerInnen ab und die frei gewordenen Beete werden neu ausgelost. Alle jene, die sich bereits auf einer Warteliste für einen Gartenplatz befinden, ermutigt Nadja Madlener: "Es wird neue Gärten in Wien geben!" (Jasmin Al-Kattib, derStandard.at)