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Vor dem Beantworten einer Stellenanzeige müssen die eigenen Kompetenzen evaluiert werden

Foto: dpa/May

Jeder Bewerber muss auf drei Fragen klare Antworten haben: Wer bin ich? Was kann ich? Was will ich? Das ist es, was der Adressat wissen will. Und der Bewerber muss versuchen, genau das in seinem Anschreiben und im Lebenslauf auf den Punkt zu bringen.

Wer bin ich? - heißt Bilanz ziehen. "Wer ins Berufsleben einsteigt, den Arbeitsplatz oder Job wechseln will, darf seine Vorstellungen beziehungsweise die Planvorlagen vom bisherigen Job nicht zum Maßstab machen", sagt Helga Schäfer (38), die bei Right Coutts, einer international agierenden Beratungsfirma zur beruflichen Orientierung in Bad Homburg, als Geschäftsführerin der Deutschland-Filiale vorsteht.

Sicherheit oder Erfolgserlebnisse?

Wer in den Beruf ein- oder darin um- und aufsteigen will, sollte sich fragen: Suche ich vor allem wirtschaftliche Sicherheit, oder geht es mehr um Erfolgserlebnisse? Will ich interessante Leute kennen lernen, mit kompetenten Kollegen zusammenarbeiten oder eher in Ruhe und Gelassenheit meinen Job machen? Suche ich Selbstverwirklichung, soll meine Arbeit mit meinen Werten übereinstimmen? Möchte ich eine sinnvolle Tätigkeit, durch die mitgeholfen werden kann, die Welt ein kleines bisschen besser zu machen?

Oder will ich viel Geld verdienen? Sich über sich selbst klar zu werden ist der Anfang vom Anfang in einer neuen Tätigkeit, einer anderen Branche und nach der Ausbildung.

"Dazu gehört das Loslassen von Vorstellungen und Gewohnheiten", sagt Schäfer. Und rät "den eigenen Lebenslauf als Marketinginstrument einzusetzen. Der Arbeitgeber will wissen, mit wem er es zu tun hat. Er wird unter den Kandidaten jenen auswählen, mit dem er am nächsten Morgen zusammentreffen, mit dem er in der Kantine sitzen will." Identität und Auftreten sollen übereinstimmen, das erzeugt die richtige Ausstrahlung. "Gute Selbststeuerung muss gelernt werden. Es geht nicht darum, sich perfekt darzustellen, sondern authentisch zu sein.

Wo bin ich nützlich?

Schäfers Firma bietet Workshops an, um die Kernkompetenzen der Teilnehmer herauszuarbeiten, für Führungskräfte gibt es Individualberatungen. "Was ist meine Dienstleistung? Wo bin ich wirklich nützlich? Diese Fragen muss man sich so lange stellen, bis es darauf überzeugende Antworten gibt", so Schäfer.

"Den meisten fällt es schwer, über das zu reden, was sie wirklich gut können. Jeder hofft, dass andere urteilen, zum Beispiel im Zeugnis." Man sollte sich Stellenanzeigen genau anschauen und dabei notieren: Hätte ich für diesen Job genug Grundsatzwissen? Welche meiner Kompetenzen wären übertragbar? Wo könnte ich mich fortbilden und in welcher Zeit?

Ehrlichkeit

Ehrlichkeit sei hier angesagt. Right Coutts wechselt im Workshop die Coaches bei den Klienten, damit die sich mehrmals erklären. Eine Videoaufzeichnung zeigt, was die Körpersprache verrät. Der Auftritt wird dann gemeinsam ausgewertet. Der Kandidat wird mit dem Gedanken konfrontiert, "dass bei einem Wechsel ein Schritt zurück zwei Schritte nach vorne bedeuten kann".

Ein zunehmend wichtiger Punkt ist der Bewerbungsvorgang. Blindbewerbungen sind out, Initiativbewerbungen in. Anonyme Anschreiben ("Sehr geehrte Damen und Her- ren . . .") bringen in Krisen- zeiten nichts mehr. "Lieber die Zentrale anrufen und klären, wer wofür zuständig ist", rät Schäfer. Vor der Initiativbewerbung ist Initiative nötig. Zwei Seiten würden genügen, bei Mappen fühlt sich der Adressat schnell zugemüllt. "Ein Anschreiben als Appetizer, einen knackigen CV, der auf Überflüssiges verzichtet. Und nach einiger Zeit nachhaken", empfiehlt die Beraterin. (Roland Mischke, DER STANDARD, Printausgabe, 26./27.4.2003)