Literatur im Fernsehen ist eine unbefriedigende Angelegenheit. In Österreich findet sie faktisch nicht statt, in Deutschland quälen sich von den Sendern sorgfältig versteckte Formate mit einem Balanceakt zwischen Lifestyle-Reportage und Spiegel-Bestsellerprotokoll.

Nur das Schweizer Fernsehen wahrt den Schein und setzt einmal im Monat drei Literaturkritiker und einen Gast an einen Tisch. Mit einem "Quartett" hat das aber nicht viel zu tun, obwohl Iris Radisch, Reich-Ranitzkis ehemaliges Gegenüber, Gastgeberin ist. Im Literaturclub gibt es nichts zu diskutieren und schon gar nicht zu kritisieren.

Das sogenannte Kritikerteam, neben Radisch die Literaturwissenschafterin Traudl Bünger und Juri Steiner, Leiter des Paul Klee-Zentrums, ist einträchtig lediglich um die bestklingenden Superlative bemüht: Kritik scheint hier ausdrücklich verboten zu sein. Stattdessen hat man eine spaßige Zeit mit aufgeregt sich überschlagenden Lobhudeleien.

Besonders peinlich wird das, wenn Roger Willemsen als Gast eingeladen ist: Willemsen hat ein Buch mit Reiseerfahrungen gefüllt, das, glaubt man den Schweizer Gesprächspartnern, das bislang ungeschriebene Buch der Bücher sein muss. Doch Willemsen war zu ungeduldig, die Hymnen von Radisch, Bünger und Steiner fertig anzuhören, und hob bald motiviert zum Selbstlob an.

Willemsen kann selbst am besten unterscheiden, was außergewöhnlich gut und was schlichtweg groß ist. Da Kritik offenbar nicht mehr gewünscht ist, hier ein Vorschlag nicht nur an Fernsehredaktionen: Setzt die Kritiker vor die Tür! Lasst Schriftsteller, Theaterleute, Musiker sich besser selbst und gegenseitig loben. Alles würde allen viel mehr Spaß bereiten! (Isabella Pohl/DER STANDARD; Printausgabe, 16.9.2010)