Bild nicht mehr verfügbar.

Die vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig erkannten Ortstafeln mit den hineinmontierten kleinen Zusatzschildchen in slowenischer Sprache wurden Mitte Juli durch korrekte zweisprachige Tafeln ersetzt. Damit haben Bleiburg/Pliberk, Ebersdorf/Drveša vas und Schwabegg/Žvabek nun nach mehreren Anläufen korrekte zweisprachige Ortstafeln.

Foto: APA/GERT EGGENBERGER

In Österreich leben sechs anerkannte Minderheiten, die nach dem Volksgruppengesetz spezielle Rechte genießen. Derzeit gibt es für drei dieser Minderheiten (die slowenische, die burgenlandkroatische und die ungarische) zweisprachige Ortstafeln. Während die Aufstellung der kroatischen und ungarischen Ortstafeln weitgehend konfliktfrei verlief, scheint das in Kärnten nicht so einfach zu sein. Der Konflikt um die dortigen zweisprachigen Ortstafeln wird seit Jahrzehnten immer wieder virulent und findet trotz der eindeutigen Rechtslage zugunsten der Volksgruppe der Kärntner SlowenInnen kein Ende. Basierend auf historischer Recherche und einer Netzwerkanalyse der involvierten politischen und zivilen AkteurInnen, beleuchtet der Steirer Martin Zinkner in seiner Diplomarbeit die Ursachen und die rechtliche Lage des Kärntner Ortstafelkonfliktes.

Ortsnamen als Kulturgut

Abgesehen von der Frage der völkerrechtlichen Verpflichtung, zweisprachige topographische Aufschriften aufzustellen, kann ganz rational die Frage gestellt werden, ob es denn überhaupt notwendig sei, den Namen eines Ortes in zwei Sprachen anzugeben. Um diese Frage beantworten zu können, empfiehlt es sich, den Sinn von Ortsnamen im Allgemeinen zu durchleuchten: Es geht darum, die jeweiligen Häuser und Grundstücke sowie deren Bewohner- und BesitzerInnen eindeutig örtlich begreifbar zu machen. Der Ortsname ist damit Teil der Identität und gehört zum Kulturgut, weshalb sich auch ein starker, emotionaler Aspekt ergibt. Um eine Fassette reicher wird das Thema, wenn man bedenkt, dass die Minderheitengruppe der Kärntner SlowenInnen untereinander sämtliche Orte nach wie vor mit slowenischen Namen bezeichnet. Damit erhalten diese eine zusätzliche Relevanz und sind Teil dieser Volksgruppenkultur.

Die Last der Geschichte

Nach Jahrhunderten des zum Großteil friedlichen Zusammenlebens, ergab sich im 20. Jahrhundert einiges an Konfliktpotential zwischen den beiden Kärntner Volksgruppen. So fiel die 1920 durchgeführte Volksabstimmung, ob das zweisprachige Gebiet Unterkärntens an das neu gegründeten Königreich der Kroaten, Serben und Slowenen (SHS-Staat) angeschlossen werden soll, sehr knapp aus - zu knapp für den Geschmack vieler deutschsprachiger KärntnerInnen: Rund 59 Prozent stimmten für einen Verbleib bei Österreich und rund 41 Prozent der gültigen Stimmen fielen zugunsten eines Anschlusses an den SHS-Staat aus. Da sich dabei nur etwa 40 Prozent der stimmberechtigten, slowenischsprachigen Bevölkerung für einen Verbleib bei Österreich aussprachen, verschlechterte sich die Stimmung im Land deutlich. Der slowenischen Volksgruppe anzugehören wurde plötzlich in vielen Fällen mit Antipatriotismus gleichgesetzt.

Der Zweite Weltkrieg mit all seinen Gräueltaten, denen auch zahlreiche KärntnerInnen zum Opfer fielen, hinterließ noch tiefere Spuren. Im Jahr 1942 schlossen sich Angehörige der slowenischen Minderheit zum Widerstand zusammen. Ausgangspunkt war die Aussiedelung von 178 slowenisch-kärntnerischen Familien. Der PartisanInnenaufstand nahm damit in Kärnten seinen Anfang. Auch wenn der militärische Nutzen der Aktionen der PartisanInnen umstritten ist, ist davon auszugehen, dass die lokalen NS-Behörden dadurch nicht mehr ungehindert arbeiten konnten und die Kampfmoral der Wehrmacht beeinträchtigt wurde. Nach Kriegsende allerdings schritten die PartisanInnen zur Selbstjustiz über. Viele KärnterInnen wurden von diesen verschleppt, einige kehrten nicht zurück. Neuesten Erkenntnissen* zufolge handelte es sich bei vielen ihrer Opfern um Personen, die innerhalb des NS-Systems aktiv waren. Andere wiederum hatten das Pech, denunziert zu werden und deshalb den PartisanInnen zum Opfer zu fallen. Insgesamt wurden 263 Personen aus Kärnten und 157 aus der Steiermark verschleppt.

Durchbrechen des Teufelskreises

In Kärnten hat es nie eine Aufarbeitung all der Ereignisse dieser relativ jungen Vergangenheit gegeben. Im öffentlichen Bereich wurde nie eine Bewältigung des gegenseitigen Unrechts in die Wege geleitet. Dementsprechend war der Nährboden für Gerüchte, Ängste und unvollständige Überlieferungen gegeben. Zinkner kommt zu dem Schluss, dass es in Anbetracht dessen zumindest in den 70er Jahren womöglich noch zu früh war, den Ortstafelkonflikt beizulegen.

Aus seiner Arbeit lässt sich ableiten, dass eine politische Lösung für das Durchbrechen dieser teufelskreisartigen Konflikte unumgänglich sein wird. Ein neues Volksgruppengesetz könnte den Anfang machen. Zinkner geht hier sogar noch einen Schritte weiter und schlägt vor, dass neben den bisher existierenden zivilen Minderheitenvertretungen es anzudenken wäre, eine demokratisch legitimierte und von der Volksgruppe selbst gewählte Vertretungseinrichtung im Sinne einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft zu etablieren. Damit wäre es möglich, dass Minderheiten mit einer einheitlichen, demokratischen Stimme sprechen und damit mehr demokratisches Gewicht haben.

Zinkner gelingt eine sehr umfangreiche wissenschaftliche Arbeit, die sowohl die historischen, als auch die juristischen und politischen Gegebenheiten zusammenfasst. Des Weiteren findet er den Mut, Lösungsvorschläge in diesen sehr eingefahrenen, hochpolitischen Konflikt einzubringen. Kritisch anzumerken ist, dass der Autor in einer sprachpolitischen Arbeit aus Gründen der Sensibilität zwar alle erwähnten Orte sowohl auf Deutsch als auch auf Slowenisch bezeichnet, auf eine geschlechtsneutrale Sprache jedoch verzichtet.

Die Diplomarbeit "Analyse des Kärntner Ortstafelkonfliktes - Akteure, Gesetze und Möglichkeiten" kann auf textfeld.ac.at im Volltext nachgelesen werden.