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Zum 60er bekam Dohr den Titel "Hofrat" verliehen.

Foto: apa/Schneider

Wien  - Der ehemalige Vorsitzende der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD), Siegfried Dohr, ist am Sonntag nach schwerer Krankheit 75-jährig verstorben. Das teilte der amtierende GÖD-Chef Fritz Neugbauer (ÖVP) der APA mit. Dohr war von 1989 bis 1997 Chef der Beamtengewerkschaft und wie sein Nachfolger Neugebauer Mitglied der ÖVP.

Siegfried Dohr war Beamter mit Leib und Seele. Der Vorgänger von Fritz Neugebauer als GÖD-Chef war 21 Jahre lang Vorstandsmitglied und acht Jahre Chef der Beamtenvertretung. 1997 machte er Neugebauer Platz.

"Traditionell, Konservativ, Altösterreichisch"

Von Politikern, die ihm in Verhandlungen gegenübersaßen, wurde er als traditionell, konservativ, und sogar altösterreichisch beschrieben. "Er lebt in einer Welt, die es nicht gibt und die es möglicherweise nie gegeben hat", sagte der frühere Beamten-Staatssekretär und jetzige Volksanwalt Peter Kostelka über ihn.

Das alte Ideal des Berufsbeamten als Diener und Stütze des Staates bestimmte stets sein Handeln. Wer das akzeptierte, kam mit Dohr gut aus. Wer an seinem Ideal rüttelte, machte ihn sich zum erbitterten Gegner - egal, welcher Partei er angehörte. So zog sich Kostelka 1993 den unversöhnlichen Hass Dohrs zu, als er sich anschickte, die Amtstitel abzuschaffen.

Für Dohr - der im Jahr darauf Hofrat wurde und den Titel seither mit Stolz trug - eine Kulturlosigkeit sondergleichen, die er aufs Entschiedenste und letztlich erfolgreich bekämpfte. Dafür fügte er Kostelka später eine schmerzliche Niederlage zu: Kostelka war mit dem Plan in die Besoldungsreform-Verhandlungen gegangen, das starre Altersprinzip bei der Beamtenbesoldung durch Leistungszulagen zu durchbrechen. Heraus kamen nach dem Alter gestaffelte Leistungszulagen.

Apropos Hofrat: Als Nicht-Akademiker war er kein wirklicher. Den Titel bekam er zum 60er. "Der Titel ist Bestandteil unserer Kultur und der Lieblichkeit unseres Landes", begründete er seine Ablehnung der Abschaffung.

Keine Scheu, sich mit eigener Partei anzulegen

Dohr hatte aber auch keine Scheu, sich mit seiner eigenen Partei, der ÖVP anzulegen. So warf er dem damaligen Parteichef Erhard Busek vor, eine Diktatur der Wirtschaftsbund-Sekretäre errichten zu wollen. Im Jahr 1994 versuchte die ÖVP, Dohr durch ein Nationalratsmandat ruhig zu stellen und zur Parteiräson zu bringen. Er kandidierte auf der Wiener Liste, schaffte den Sprung ins Parlament aber nicht. Später beteuerte Dohr stets, wie recht es ihm gewesen sei, nicht durch ein Mandat in seiner Gewerkschaftstätigkeit behindert worden zu sein. Politiker war Dohr dennoch. Als Mitglied der ÖAAB-Bundesleitung und stellvertretender Vorsitzender der Fraktion Christlicher Gewerkschafter war er stets einer jener wenigen in der ÖVP, die gegen die von oben verordnete Ersatzreligion der Wirtschaftsstandort-Sicherung aufbegehrten.

Bekenntnis zum Berufsbeamtentum

Unrecht täte man Dohr, würde man ihn als sturen Interessensvertreter bezeichnen. So stimmte er als erstem Eingriff in das Beamtenpensionsrecht einem Abschlagssystem für Frühpensionisten, zwei Nulllohnrunden, Kürzung der Belohnungen und der Planstellen zu. An seinem Bekenntnis zum Berufsbeamtentum hielt Dohr aber eisern fest.

Einen starken Auftritt verschaffte sich Dohr zu seinem Abgang 1997. Beim Gewerkschaftstag, bei dem er von Neugebauer abgelöst wurde, wurden die Regierungsmitglieder vom damaligen Bundeskanzler Viktor Klima (SPÖ) und Vizekanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) abwärts unter seiner Regie von den Delegierten gnadenlos ausgepfiffen. Grund dafür war die damals geplante Pensionsreform, die dann sein Nachfolger Neugebauer abschloss - mit der von Dohr abgelehnten Einführung eines Durchrechnungszeitraumes. An einen Vorsatz hat sich Dohr gehalten - er hatte sich vorgenommen, sich von der Pension aus nicht in die Politik einzumischen.

1994 bekam Dohr den Titel "Hofrat"

Der Christgewerkschafter war am 2. Oktober 1934 in Klagenfurt geboren worden. Gleich nach der Matura trat er in die Finanzverwaltung des Bundes ein. Seine gewerkschaftliche Laufbahn begann er als Mitglied des Gewerkschaftlichen Betriebsausschusses. 1969 wurde er dann Vorsitzender der Bundessektion Finanz. 1977 wurde Dohr als Dienstrechtsreferent in den Vorstand der GÖD berufen. Zum Vorsitzenden der GÖD wurde Dohr 1989 gewählt. Im Dezember 1994 wurde ihm der Titel "Hofrat" verliehen. 1997 folgte ihm Neugebauer als Chef in der Beamtengewerkschaft nach, Dohr wurde auf Vorschlag seines Nachfolgers zum Ehrenvorsitzenden der GÖD gewählt.

Pröll und Neugebauer würdigen Verstorbenen

Der Vorsitzende der Beamtengewerkschaft, Fritz Neugebauer, sowie ÖVP-Chef Vizekanzler Josef Pröll haben am Sonntag den verstorbenen Ex-GÖD-Chef Siegfried Dohr gewürdigt. Die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst verliere mit Dohr "eine prägende Persönlichkeit, die großen Anteil an der Modernisierung des Öffentlichen Dienstes in den vergangenen Jahrzehnten hat", so Neugebauer in einer Aussendung. Pröll zeigte sich über das Ableben des "langjährigen, verdienstvollen, christlichsozialen Gewerkschafters" tief betroffen.

ÖGB-Präsident "tief betroffen"

Auch ÖGB-Präsident Erich Foglar hat sich vom Ableben von Ex-GÖD-Chef Siegfried Dohr "tief betroffen" gezeigt. "Kollege Dohr hat sich Zeit seines beruflichen Lebens für die Anliegen der Beamtinnen und Beamten stark gemacht", er habe in seinen Positionen in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst "viel für die Kollegenschaft erreicht", erklärte Foglar per Aussendung. "Mit dem Ableben Dohrs verlieren wir einen engagierten Gewerkschafter, für den Solidarität ein unverzichtbarer Wert seines Wirkens war", so Foglar.(APA)