Orsolya Toth als Zarin in dem Drama 'Women without Men'.

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Shirin Neshats in dieser Woche in österreichischen Kinos angelaufener Film "Women Without Men" (s. Standard-Kritik von Isabella Reicher) hat eine lange Vorgeschichte. Sie erzählt darin von vier Frauen, die im patriarchalischen Iran der Fünfziger Jahre aufbegehren. Zeithintergrund des Films nach dem gleichnamigen Roman von Shahrnush Parsipur ist der vom Westen unterstützte Putsch gegen den demokratisch gewählten Ministerpräsidenten Mohammad Mossadegh. Bert Rebhandl hat für Cargo ein Gespräch mit der Regisseurin über ihr Projekt geführt - beim Klick auf diesen Link öffnet sich der Audioplayer.

Das Interview dauert rund dreißig Minuten und ist in englischer Sprache geführt. Darum sei der Inhalt kurz zusammengefasst. Neshat erklärt, dass sie als international gefeierte Künstlerin vom Kunstmarkt und von den Wiederholungen, die er von Künstlern erwartet, ermüdet war und deshalb als Künstlerin "in Winterschlaf" gehen und stattdessen etwas Neuartiges versuchen wollte. So kam sie aufs Kino. Der Roman der iranischen Schriftstellerin Shahrnush Parsipur hat sie schon länger beschäftigt. Am Drehbuch arbeitete sie über vier Jahre, bis 2007. Die im Vorfeld entstandenen Videoinstallationen "Madokht" und "Zarin" waren eine Art "Aufwärmübung" dafür, nicht zuletzt der Versuch, von der reinen Visualität der Installation zu den Erzählformen des Kinos zu finden.

Den Blick des Westens aufs iranische Kino findet sie, wie viele iranische Intellektuelle, sehr problematisch. Die Konzentration auf den Neorealismus von Regisseuren wie Abbas Kiarostami oder Jafar Panahi (deren Filme sie schätzt) habe geradezu die Tendenz, das Land zu "orientalisieren". Was daraus ausbricht, hat es im Westen schwer. Etwa Gegentraditionen des Metaphorischen, der Poesie, in die ihr eigener Film gehört. In der Tat sieht sie für "Women Without Men" weniger im Kino als in der iranischen literarischen Kultur Einflüsse und Vorbilder - ausdrücklich nennt sie Sadegh Hedayat, dessen Hauptwerk "Die blinde Eule" auch in deutscher Übersetzung existiert. In der westlichen Kunst fühle sie sich der Konzeptkunst genau deshalb sehr nahe, weil auch hier das Prinzip der Verrätselung gelte.

Der Garten in ihrem Film, in den sich die vier Frauen zurückziehen, ist für sie ein utopischer Raum, der die Möglichkeit bietet, in einer selbst entworfenen Fantasie Aufenthalt zu nehmen, aber auf einer anderen Ebene auch so etwas wie die Bewegung ins Innere des eigenen Körpers. Im Vergleich zur Vorlage wollte sie die politischen Aspekte deutlicher herausstreichen. Zur Tagespolitik meint die seit 1996 aus dem Iran exilierte Künstlerin: Der Widerstand im Iran könne das Streben nach Demokratie und Freiheit in anderen Diktaturen der Welt inspirieren.

Zu Shahrnush Parsipurs Roman hatte ich an anderer Stelle unter anderem dies notiert:

Zwanzig Jahre hat Sharhnush Parsipur an diesem 1989 dann veröffentlichten Buch geschrieben. Erst im Lauf der Zeit hat sie den Garten gefunden als Ort, an dem sie ihre Frauen im Allegorischen erden kann, ohne sie in eine gemeinsame Geschichte zu zwingen. Das Buch wurde veröffentlicht, machte Sensation, wurde verboten. Die Deutlichkeit, mit der sie über Sexualität schrieb und das iranische Patriarchat, war unerhört. Schon unter dem Schah musste Parsipur für Jahre ins Gefängnis. Auch im postrevolutionären islamischen Iran erlebte sie Repressalien, wurde für kurze Zeit erneut eingesperrt. 1994 kehrte sie von einer Reise in die USA nicht mehr zurück. Ihre Werke existieren im Iran heute sämtlich offiziell nicht, sind in Schwarzmarkt-Ausgaben aber weit verbreitet. Die Mehrzahl ihrer Bücher ist nicht übersetzt.

In diesem kurzen Video äußert sich Parsipur (in englischer Sprache) zu Geschlechterfragen, nicht nur im Iran: