Göschl: "Beide Bilder sind fast vom gleichen Standort geschossen, meines (7.600 Meter) ist etwas höher, ich habe es selbst gemacht beim Abstieg von 8.300 Meter. Das Foto von Stangl...

Foto: Gerfried Göschl

...wurde bei Lager 3 auf 7.400 Meter aufgenommen."

Foto: Christian Stangl

Gerfried Göschl am Weg zum K2 auf ca.7.700 Meter.

Foto: Gerfried Göschl

Wien – Kann sich ein Bergsteiger den Gipfelsturm lediglich einbilden, ihn "visualisieren"? Ist das glaubwürdig? "Nein", sagt Gerfried Göschl, der 2005 den Mount Everest als erster Österreicher ohne künstlichen Sauerstoff und Trägerhilfe bestieg. "Christian mag unter hohem Leistungsdruck gestanden und deshalb in einem psychischen Ausnahmezustand gewesen sein, das mit dem Koma und der Trance ist aber absoluter Schwachsinn, er hat sicher immer gewusst, dass er nicht am Gipfel war. Dass solche Zustände nicht mit solchen Folgen einhergehen, kann ich nach mehrmaligen Aufstiegen über 8000 Meter und der Leitung zahlreicher Hochtouren-Expeditionen mit gutem Gewissen behaupten."

Erste Zweifel im August

Göschl, der seine beiden K2 Versuche auf der selben Route (Abruzzi Grat) wie Stangl absolvierte, zweifelte erstmals Ende August an Stangls Erfolg. Er verglich die von ihm selbst gemachten Fotos mit Stangls "Gipfelbild" und kam zum Schluss, dass hier ein Betrug vorliegt. Im engsten Freundes- und Familienkreis, Göschls Vater und Bruder sind ebenfalls erfahrene Höhenbergsteiger, fand er Bestätigung für seine Vermutung. An die Öffentlichkeit ging er zu diesem Zeitpunkt nicht, da er nicht den Eindruck von Neid und Missgunst erwecken wollte. In diesem Zusammenhang zeigt er sich auch verärgert über Stangls erste Reaktionen auf die Aussagen von Maxut Zhumayev und Török Zolt. Zhumayev war zur gleichen Zeit wie Stangl auf dem K2, hatte dessen Bild mit seinen eigenen verglichen und war zu dem Schluss gekommen, dass Stangls Beweisfoto nicht vom Gipfel aus gemacht worden sein könne. Göschl: "Maxut Zhumayev ist mit dreizehn Achttausendern über jeden Neid an Stangls Erfolgen erhaben. Ihn der Lüge zu bezichtigen ist äußerst ungeschickt!"

Den Gipfelbeweis sieht Göschl nach wie vor als relativ einfache Sache. Normalerweise reicht ein Gipfelfoto, die Aussagen von Bergpartnern oder das Absenden eines GPS-Signals. Göschl deponierte übrigens bei seiner erfolgreichen Mount Everest Besteigung einen steirischen Erdapfel am Gipfel, der von einer nachfolgenden Expedition fotografiert wurde. Der Liezener bezeichnet sich als keinen großen Freund der Übertechnisierung am Berg und zählt mehr auf Handschlag-Qualitäten in Bergsteigerkreisen. Deshalb glaubte er zunächst auch zweifelsfrei an Stangls Erfolg am K2.

Gebrochener Ehrenkodex

Nun spricht Göschl aber von einem gebrochenen Ehrenkodex: "In der Bergbranche gilt es als ungeschriebenes Gesetz ehrlich von Erfolgen, aber auch von Niederlagen zu berichten. Er hat nicht nur sich, sondern der ganzen professionellen Alpinszene einen großen Schaden zugefügt und erinnert an Bernhard Kohl. Persönlich tut er mir leid, er befindet sich in einer furchtbaren Situation. Christian ist ein langjähriger Bergpartner meines Bruders Wolfgang und daher kenne ich ihn persönlich recht gut. Er ist sogar ein wenig mitverantwortlich, dass ich mit dem Bergvirus infiziert wurde. Ein paar frühe Klettertouren im Gesäuse sind wir gemeinsam gegangen."

Umso mehr entsetzt ihn das Vorgehen Stangls, vor allem die Zusammenhänge rund um seinen "Gipfelsieg". Zwar kamen im Lauf der Bergsteiger-Geschichte immer wieder Unwahrheiten über Besteigungen vor, auch an den Achttausendern, aber nicht in dieser Konstellation und Dimension meint Göschl. Zuerst der tödliche Absturz von Stangls K2-Expeditionspartner Ericsson mit Umkehr von Kaltenbrunner und dann ein "derartig sensationeller und medienträchtiger" Soloaufstieg bei schwierigsten Verhältnissen eine Woche später. Göschl bezeichnet die ganze Sache schlicht als "Dreistigkeit". (Nicola Werdenigg; derStandard.at; 9. September 2010)