In manche Dörfer kommt monatelang kein Arzt. Deshalb wird notdürftig in einer Lehmhütte operiert.

Foto: privat/Rock

Krankenzimmer im Krankenhaus von Tshumbe.

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Medizinstudentin Vanessa nach einer von ihr geleiteten Geburt mit Mutter und Baby.

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Der Besuch von Weißen ist für die Bevölkerung ein "Event". Trommler spielen auf, es wird getanzt.

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Im Kinderernährungszentrum kümmern sich die Geschwister umeinander. Viele Babies sind unterernährt und lernen dadurch erst spät laufen.

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Das Kochen dauert: zuerst müssen Blätter und Reiskörner gestampft werden. Fleisch gibt es nur zu besonderen Anlässen.

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Vollnarkose in einem österreichischen Krankenhaus: Ein Medikamentencocktail aus Schlafmittel, Muskelrelaxans und Schmerzinfusion bringt Patienten entspannt und schmerzfrei durch eine Operation. Operationsalltag im Kongo: Die Operationsschwester "anästhesiert" und das mit äußerst beschränktem Repertoire. Narkotika und Überwachsungsgeräte sind Mangelware. Patienten wachen aufgrund von Schmerzen während operativer Eingriffe regelmäßig auf.

Aufenthaltsort: Tshumbe, Kongo

Die beiden Medizinstudentinnen Vanessa Rock und Petra Fucik hatten beschlossen ihren Sommer im Kongo zu verbringen, um berufsrelevante Erfahrungen zu sammeln und Menschen unmittelbar vor Ort zu helfen. Der Zufall brachte sie auf den Salzburger Verein "Mut zum Teilen", der das Krankenhaus im Dorf Tshumbe finanziell und materiell unterstützt. Nach und nach wurden mit Hilfe des Vereins in den Jahren davor der OP-Saal modernisiert, Fliesen verlegt und Solarzellen am Dach angebracht, sodass Kerzenlicht und Taschenlampen heute nicht mehr als Lichtquellen für operative Eingriffe dienen.

Die Situation ist nicht vergleichbar mit der medizinischen Versorgung in den westlichen Industrieländern. "Schwangere Frauen müssen sich vor einer Untersuchung einen einzelnen Handschuh kaufen. Viele können sich diesen nicht einmal leisten", erzählt Vanessa. Falls doch, wird der mitgebrachte Handschuh nach der Untersuchung nicht entsorgt, sondern von den Frauen gewaschen und beim nächsten Arztbesuch wieder verwendet. Eine hygienische Katastrophe; der Einfluss des österreichischen Vereins ist jedoch spürbar, das medizinische Personal auch unter Extrembedingungen um steriles Arbeiten im Operationssaal bemüht.

Die Umstände machen es den Mitarbeitern des Krankenhauses aber nicht leicht: Es gibt weder fließendes Wasser, noch Strom. Die fehlende Infrastruktur bringt es mit sich, dass sich die Uhren dort etwas langsamer drehen. "Wenn eine Operation für sieben Uhr angekündigt war, konnten wir sicher sein, dass frühestens um zehn Uhr begonnen wurde. Zeit spielt einfach keine Rolle", so Vanessa.

Viele Patienten dem Tod geweiht

Dabei wäre rasches Handeln in vielen Fällen von Nöten, da die meisten Patienten erst dann einen Arzt aufsuchen, wenn eine Erkrankung bereits weit fortgeschritten ist. "Oft konnten wir für die Betroffenen nichts mehr tun", bedauert Vanessa. Warum die kranken Menschen nicht früher ins Krankenhaus kommen? Neben Unwissenheit und Angst kommt noch ein weiterer triftiger Grund dazu: "Vielen fehlt einfach das Geld, um eine ärztliche Behandlung zu bezahlen", ergänzt die Studentin.

Medikamente und Operationen sind teuer und deshalb greifen Ärzte auch schon mal in die eigene Tasche, um schwer kranken Menschen zu helfen. So auch die beiden österreichischen Medizinstudentinnen, die einer Frau mit Brustdrüsenentzündung die Behandlung für eine Woche bezahlten. Kostenpunkt: 30 Dollar. Im Vergleich dazu – ein Krankenpfleger des Spitals verdient drei Dollar pro Monat.

Medizin muss weh tun

In manchen Dörfern kommt nur alle paar Monate ein Arzt vorbei. Vanessa und Petra waren dabei und assistierten einem Mediziner während der Operationen in einer kleinen Lehmhütte. Bezahlen konnten die Patienten nicht, dafür gab es einmal eine Ziege als Dank.

Trotz der widrigen Umstände sind die Patienten alles andere als wehleidig. "Viele glauben, dass Medizin weh tun muss", berichtet Vanessa. Zu Schmerzen haben die Menschen im Kongo generell einen besonderen Zugang. "Für Frauen dort ist es nicht nachvollziehbar, dass Menschen Angst vor einer Geburt und den damit verbundenen Schmerzen haben", erzählt die Medizinstudentin und ergänzt: "Die Geburt wird als natürliches Ereignis betrachtet. Ein freiwilliger Kaiserschnitt ist für kongolesische Frauen deshalb nicht vorstellbar".

Von Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen ist im Kongo noch nichts zu bemerken, Polygamie ist erlaubt. "Eine der ersten Fragen, die mir von verschiedenen Männern gestellt wurde: Bist du verheiratet? Das sollte man besser nicht verneinen", erzählt Vanessa. Im Krankenhaus wurde trotzdem auf gleicher Augenhöhe mit männlichen Kollegen gearbeitet.

Trotz der widrigen Umstände will Vanessa wieder zurück in den Kongo. Nicht nur weil medizinische Hilfe dringend von Nöten ist, sondern auch, weil die Lebenseinstellung der Menschen sie fasziniert hat. "Wir hier streben nach immer mehr Erfolg und Geld und sind trotzdem nie ganz zufrieden. Dort besitzen die Menschen nichts und sie sind trotzdem glücklich." (derStandard.at, 29.09.2010)