Lehrerin Andrea S. vor dem Eingang ihrer Schule. Ihr "Fall" hat die Situation von Transgenderpersonen in Österreich zum vieldiskutierten Thema gemacht.

Foto: Toppress/Schöndorfer

Wien - Wolfgang Wilhelm rechnet bei den Schülern der HTL Spengergasse mit "Offenheit" und "Neugierde" . Der Wiener Antidiskriminierungsbeauftragte für gleichgeschlechtliche und Transgenderlebensweisen soll an der Wiener Lehranstalt einen Workshop abhalten - auf Ersuchen des Unterrichtsministeriums und noch in dieser Woche, um im Konflikt um die transsexuelle Informatiklehrerin Andrea S. zu vermitteln. 

"Nach einem Geschlechterwechsel muss es möglich sein, den Arbeitsplatz zu behalten", stellt der Trouble-shooter klar. Mittels Kurzvortrags und einer anschließenden Diskussion will er den Jugendlichen das Thema Transsexualität näherbringen, das sie, ihre Eltern und die Schuldirektion in der Person von Andrea S. jetzt persönlich betrifft. Die reale Konfrontation mit Menschen zwischen den Geschlechtszugehörigkeiten, "die man sonst meist nur in den Medien sieht", lasse die Toleranz zuweilen schwinden, weiß Wilhelm.

"Auszeit" nahegelegt

Der 58-jährigen Andrea S., die vor dem Sommer als Mann in die Ferien ging und zu Schulbeginn als Frau zurückkehrte, war vom Direktor eine berufliche Auszeit nahegelegt worden. Nach einer Reihe von Berichten im Kurier und im ORF wurde der Vorschlag zurückgezogen, S. unterrichtet weiter. Ihr "Fall" und die Lage von Transgenderpersonen insgesamt war Mittwochabend auch Thema im ORF-Club 2.

Kündigungen oder Androhungen damit sind laut Gleichbehandlungsanwältin Ingrid Nikolay-Leitner auch in der Privatwirtschaft der häufigste Grund für Transgenderpersonen, sich bei ihrer Stelle zu beschweren. Doch es gebe nur wenige Fälle: "Einer in mehreren Jahren." Dabei biete das auf EU-Richtlinien basierende Gleichbehandlungsgesetz den Betroffenen umfassenden Schutz.
"Es ist eine Frage der Bekanntheit unserer Stelle unter Transgenderpersonen", mutmaßt Nikolay-Leitner.

Sie verweist auf eine 2008 erstellte Studie über die "Lage von Transpersonen am österreichischen Arbeitsmarkt". Laut dieser leben 46 Prozent der rund 5000 Betroffenen in Österreich "aus beruflichen Gründen" nicht in ihrem gewählten Geschlecht.

15 Prozent, ein Sechstel, wurden nach ihrem Geschlechterwechsel gekündigt, 29 Prozent wechselten davor präventiv den Arbeitsplatz. "Um Konflikten vorzubauen ist das richtige Timing wichtig. Man muss Kollegen und Chefs, aber auch Bekannte und Freunde auf die bevorstehende Veränderung vorbereiten, den Übergang nicht allzu abrupt gestalten. Denn das Bild von früher darf sich in den Köpfen der anderen nicht allzu verfestigen", rät Eva Fels, Obfrau der Transgenderorganisation TransX. Der Verein bietet Betroffenen Begleitung bis hin zur Stilberatung an.

Rechtliche Verbesserung

Verbessert hat sich in den vergangenen Jahren die rechtliche Situation von Transgenderpersonen. So sehr, dass Österreich "inzwischen europaweit als Vorbild gelten kann", sagt der Wiener Anwalt Helmut Graupner. Anders als etwa in England, Deutschland und Frankreich müssen sich Ehepaare in Österreich nicht scheiden lassen, wenn einer der Partner das Geschlecht wechselt - die Folge eines Spruchs des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) aus dem Jahr 2006.

Seit 2009 können Transgenderpersonen nach einem weiteren VfGH-Entscheid außerdem auch ohne genitale Operationen vor den Behörden das Geschlecht wechseln: "Inzwischen", sagt Graupner, "fordern sogar schwedische Betroffene Gesetzesänderungen wie in Österreich."  (Irene Brickner/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.9.2010)