In jedem Zimmer wartet ein Untoter: Die fahle Nachbarin wird in "Rammbock" von der Mutter des Regisseurs Marvin Kren, Brigitte Kren, verkörpert.

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Standard: Sind Sie ein ausgeprägter Horrorfilm-Fan?

Kren: Überhaupt nicht. Ich komme mir auf entsprechenden Festivals wie ein Außenseiter vor. Ich hasse eigentlich Horrorfilme, weil ich mich entsetzlich fürchten kann. Aber die Realisierung ist etwas ganz anderes. Es hat eher biografische Hintergründe, warum ich bei diesem Genre gelandet bin. Ich bin aus Wien nach Hamburg an die Filmschule gekommen - dort sind die Leute nicht so fleischlich. Mit meinen drastischen Bildideen konnte man dort wenig anfangen. Dann kam einmal ein Horrorscript - da war das plötzlich überhaupt kein Problem mehr.

Standard: Weil es ein klassisches Körpergenre ist?

Kren: Genau. Über Umwege bin ich mit meinem Autor Benjamin Hessler zusammengekommen, der ein ausgebildeter "Horrorwissenschafter" ist - er hat über "haunted houses" in der englischen Literatur des 18. Jahrhunderts seinen Abschluss geschrieben. Die Zusammenarbeit funktionierte gut, weil man so Distanz gewinnt: Man vertraut dem geschriebenen Wort nicht, und durch die Kritik entsteht etwas Neues.

Standard: Zombies sind ganz spezielle Wesen des Horrorfachs - die Arbeiterklasse, wenn man so will. Was stellen sie für Sie dar?

Kren: Ich wurde schon als Kind auf Zombies angefixt. George A. Romeros Night of the Living Dead in der von den Eltern verlassenen Wohnung, nachts, allein - das hat mein kleines Kinderhirn vergewaltigt. Viel später kam dann 28 Days Later. Die politischen Metaphorik, die Romero zugeschrieben wurde, war für uns nicht in erster Linie interessant. Mich hat diese romantische Vorstellung fasziniert, dass die Welt zugrunde geht, Menschen andere Menschen beißen. Dass man sich verstecken muss, wenn man überleben will.

Standard: Wie sind Sie dann auf die Grunddisposition des Films gekommen? Auf ein Zombie-Kammerspiel, das als Schauplatz den Innenhof eines Mietshauses hat?

Kern: Benjamin ist jemand, der sich in der Nacht, wenn er nicht einschlafen kann, gerne überlegt, was er täte, wenn eine Zombie-Krise ausbricht. Er ist in seiner Wohnung, muss sich einschließen, nach zwei Wochen hat er keinen Proviant mehr. Draußen ist es gefährlich, daher baut er aus seinen Möbeln einen Rammbock, um durch die Mauer zu seinen Nachbarn durchzudringen. Ich wohne in Hamburg in einem Hinterhof, es gibt dort sogenannte Kapitänswitwenhäuser: Wohnungen, die sich sehr nah gegenüberliegen. Das hat natürlich auch etwas von Hitchcocks Fenster zum Hof.

Standard: Wie haben Sie die Hauptfigur konzipiert - diesen Anti-Helden, den Michael Fuith sehr österreichisch anlegt, als verschleppten Typen, der eher reagiert als aktiv handelt?

Kren: Ursprünglich war das Treatment sehr clean, das Persönliche hat gefehlt. Macht man halt, aber braucht's die Welt? Bei Michael Fuith hatte ich den Verdacht, dass sein Gesicht für den Part interessant sein könnte. Was würde es bedeuten, wenn ein Philanthrop, einer, der nur das Gute will, aber ein bisschen komisch aussieht, diesen Schrecken durchlebt? Seine Liebesgeschichte betont das Weiche, kontrastiert damit den äußerlichen Horror.

Standard: Sie haben auch Ihre Mutter, Brigitte Kren, als Zombie besetzt. Ihr Motiv?

Kren: Es war ganz klar, dass das meine Mutter spielt - sie ist eine kleine Frau, aber sie hat eine Elefantenenergie. Natürlich fragt man sich, ob man seine Mutter so exponieren kann, ob das nicht etwas Unheiliges hat. Als ich sie angerufen habe, um ihr das zu sagen ... mehr habe ich nicht gebraucht! Wir haben den Film ein paar Amerikanern in L.A. gezeigt. Die schauen besonders genau auf die Monster. Als sie gehört haben, dass meine Mutter diesen Zombie spielt, herrschte kindlichste Aufregung! Wir haben übrigens ein ausgetüfteltes Sounddesign gemacht, jedem Monster ein eigenes Geräusch zugewiesen - meine Mutter war die einzige, die wir nicht bearbeiten mussten ...

Standard: Statt auf blutrünstige Splatter-Szenen setzen Sie mehr auf melodramatische Momente. Eine Vorliebe?

Kren: Es war relativ klar, dass wir keinen Schocker machen wollten: Uns interessiert keine Exploitation, sondern dieses Räuber-und-Gendarm-Spiel. Wir nehmen unsere europäische Seele sehr ernst. Man muss die Figuren mit diesem Blick sehen, wir sind keine Amerikaner, bei uns hat nicht jeder eine Pumpgun zuhause. Wir verstecken uns lieber, überlegen uns was. Es gibt Momente im Film, in denen sich Leute mit Gewalt wehren, und das geht immer schief.

Standard: Genre- und Autorenfilme scheinen sich zunehmend wechselseitig zu befruchten. Eine Entwicklung, die Ihnen gefällt?

Kren: Es kommt darauf an, auf welcher Seite man steht. Mich langweilt das bürgerliche Arthouse-Kino. Sie sprechen von einer Rezeption, die in Frankreich oder in Spanien schon länger besteht. In Österreich und Deutschland kann man kein künstlerischer Filmemacher sein, der sich mit Horrorthemen beschäftigt. Wobei ich auch skeptisch wäre, wenn sich nun lauter Kunstfilmer im Horrorgenre austoben würden. Da bin ich dann lieber Horrorregisseur. Das hat etwas Anrüchiges. (Dominik Kamalzadeh/DER STANDARD, Printausgabe, 8. 9. 2010)