Die "Eisenhandlung" von Rainer Riel im 18. Wiener Gemeindebezirk - das Geschäft an dieser Stelle existiert seit 120 Jahren.

Foto: derStandard/Nina Grünberger

30.000 Artikel stapeln sich auf engstem Raum: von Klobesen über Jausenbretter bis zu Töpfen.

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Wie sich Herr Riel gegen die großen Baumärkte behaupten kann: mit perönlicher Beratung und viel Gespür für Kundenwünsche.

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Dutzende Laden beherbergen Schrauben, Griffe, Haken etc. Wo sich genau was befindet, weiß kein Computer, sondern nur der Kopf der Mitarbeiter.

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Collins Hüte im 1. Wiener Gemeindebezirk. Das Unternehmen hat Walter Kollin im Jahr 1946 gegründet.

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Herr Kollin steht mit seinen 87 Jahren noch jeden Tag im Laden. "Aufhören ist manchmal schwieriger als anfangen".

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Auch Frau Franziska hat fast alle Stationen mitgemacht: sie arbeitet seit 57 Jahren in dem Hutgeschäft.

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„Ich bräuchte zwei weiße Untertassen für meine Kaffeehäferl", sagt eine ältere Dame. Eine zweite kommt hinzu und fragt: „Ich will eine Garderobenstange an der Wand montieren, was brauch ich da?" Dann betritt ein Herr den Laden. Er stützt sich auf seinen Stock und nähert sich der Theke mit langsamen Schritten. „Haben Sie ein Plastik für die Küche?", fragt er und wühlt in seiner Tasche. „Was brauchens denn, ein paar Haken?", antwortet der Verkäufer. Der Herr schüttelt den Kopf. Er holt ein Tintenfass, ein Brillenetui, ein paar Stifte und schließlich ein kaputtes Abflusssieb hervor. „Das da bitte", sagt er.

"Wenn ich´s wo krieg, dann bei dir"

„Wissen Sie, wir sind ein persönliches Geschäft", meint Rainer Riel. Er ist Inhaber von „Eisenhandlung, Haus- und Küchenwaren Riel" im 18. Wiener Gemeindebezirk. Das kleine Geschäft liegt in der Währingerstraße und ist 120 Jahre alt. Das Mobiliar stammt noch aus dieser Zeit.

Zwischen Blumentöpfen, Klobesen, Töpfen, Jausenbrettern und Keksausstechern finden sich Glühbirnen, Schrauben und Weingläser. „Wir haben ungefähr 30.000 Artikel", sagt Herr Riel und fügt hinzu: „Meine Stärke ist, dass ich sehr viel hab. Die Leute sagen immer: wenn ich´s wo krieg, dann bei dir!"

"Ich wurde mit den Hüten gemacht"

Walter Kollin hat sein Hutgeschäft im 1. Wiener Gemeindebezirk. Kollin ist 87 Jahre alt und steht seit dem Jahr 1946 fast jeden Werktag in seinem Laden. „Ich wurde mit den Hüten gemacht und habe sie nicht mehr verlassen", resümiert er. Wenn man das Geschäft in der Richtergasse betritt, schlägt einem ein besonderer Geruch entgegen: es riecht alt. Nicht modrig alt sondern vornehm alt. Es riecht wie damals, als Frauen noch Hüte und Herren noch Zylinder trugen. Und Herr Kollin vollendet die Zeitreise, wenn er Dinge sagt wie „Der Hut sucht sich seinen Träger", „Eine hübsch gekleidete Dame braucht einen ihr zu Gesicht stehenden Hut" oder „Die Marinehauben kehren bald wieder, die tragen die jungen Mädchen sicher gern". 

Herr Riel und Herr Kollin haben eines gemeinsam: Sie trotzen den großen Kaufhäusern und Einkaufsketten. Der eine mit einem möglichst großen Sortiment, der andere mit Hüten. Trotzdem sind Läden wie ihre vom Aussterben bedroht.

"Schleuderer" und "Selbstmörder"

Herr Riel weiß, warum er mit seinem kleinen Laden neben den großen Baumärkten bestehen kann: „Im Baumarkt sind die Kunden Nummern, bei mir steht die Kundenbetreuung an erster Stelle". Aber auch die Lage des Geschäfts sei wichtig, erzählt er. „Wir haben hier einen sehr guten Platz, weil wir die Nahversorgung darstellen - zu Baumärkten muss man mit dem Auto fahren." Und natürlich muss auch der Preis stimmen. Dazu geht Herr Riel dann in Baumärkte, um zu sehen was die Konkurrenz verlangt, wobei „es schwer ist mit den Schleuderern mitzukommen". 

„Ach die großen Kaufhäuser, das sind ja alles Selbstmörder - die bringen sich gegenseitig um, um noch größer zu werden", meint Herr Kollin. Von Einkaufshäusern hält er nichts, da ihm dort die Beratung zu unpersönlich ist. „Dabei ist es gerade bei den Hüten so wichtig", seufzt er.

"Aufhören ist schwieriger als anfangen"

Das Geschäft läuft bei beiden gut. Die Eisenhandlung im 18. Bezirk bedient täglich zwischen 70 und 80 Kunden, das Hutgeschäft im 1. Bezirk lebt von „Leuten die etwas Extravagantes suchen", sagt Kollin.

Trotzdem ist ungewiss wie es mit ihnen weitergeht. Herr Riel weiß noch nicht was mit seinem kleinen Laden passieren wird, wenn er in Pension geht. „Mein Wunsch wäre, dass er einfach so weitergeführt wird. Die Nachfrage besteht immer."

Herr Kollin besitzt neben einem Geschäft in Salzburg auch noch eines in der Opernpassage, das der Sohn inzwischen übernommen hat und erfolgreich führt. Darauf angesprochen, ob er sich mit seinen 87 Jahren nicht langsam in den wohlverdienten Ruhestand begeben möchte, seufzt er und sagt: „Ach wissen Sie, aufhören ist schwieriger als anfangen". 

Es ist zehn Uhr Vormittags und alle paar Minuten betritt Kundschaft die kleine Eisenwarenhandlung. Eine ältere Dame kommt herein, stellt ihr Körbchen auf die Theke und fragt: „Können Sie mir sagen wo ich Silberputzmittel krieg, ich war schon überall?". Rainer Riel lacht. „Na bei mir!". (Nina Grünberger, derStandard.at, 07.09.2010)