Mit Julia Grillmayr sprach Sportmediziner Christian Fialka über schulterbelastende Sportarten.

Standard: Warum ist die Schulter für die Sportmedizin eine Herausforderung?

Fialka: Gerade bei armbetonten Sportarten ist die Belastung an der Schulter sehr hoch. Vor allem bei allen Überkopfsportarten wie Tennis, Volleyball, Handball, Basketball und Schwimmen. Es kann sowohl zu akuten Verletzungen kommen, vor allem bei den Kontaktsportarten wie Handball, als auch zu Überlastungen nach jahrelanger einseitiger Belastung.

Standard: Die Schulter gibt der medizinischen Forschung also noch immer Hausaufgaben auf?

Fialka: Ja enorm, da tut sich wahnsinnig viel. Auch wir haben hier etliche Forschungsprojekte, die derzeit laufen und sind mit anderen Universitäten in Kontakt. Das ist ein Bereich, in dem in den letzten acht bis zehn Jahren sehr, sehr viel geforscht wurde - sowohl was Operationstechnik als auch Diagnostik betrifft. Auch am Implantate-Sektor tut sich viel.

Standard: Wie viel Prävention für Schulterverletzungen ist möglich und sinnvoll?

Fialka: Man kann sicherlich durch eine regelmäßige Vorsorgeuntersuchung Anzeichen von Überbelastung früh erkennen. Präventiv ist aber die Sache sehr schwierig. Solche Überlastungsschäden entwickeln sich nämlich über Jahre hinweg, und die Frage ist immer, zu welchem Zeitpunkt man aktiv werden muss.

Standard: Wenn ein Hobbysportler bereits leichte Schmerzen an der Schulter bemerkt, was raten Sie ihm?

Fialka: Wenn ein Hobbysportler beschließt, eine armbetonte Sportart wie etwa Volleyball durchzuführen, und er spürt sehr schnell leichte Beschwerden, dann wäre es klug von ihm, einen Schulterspezialisten zu konsultieren. Damit kann eine Schädigung, die durch eine neue Aktivität entstehen könnte, verhindert werden. Denn richtig dosiert und unter richtiger Trainer-Führung kann gerade für jemanden, der bereits Schulterprobleme hat, eine Überkopfsportart dann sogar eine Therapie sein. Das Bedienen der Muskulatur führt ja zum Wachsen derselben und kann dadurch die Schmerzen sogar ausmerzen helfen, aber natürlich nur unter entsprechender fachkundiger Anleitung.

Standard: Belasten die übrigen Sportarten nicht ohnehin mehr den Unter- als den Oberkörper?

Fialka: Mir liegen Zahlen dazu vor, die vor einigen Jahren erhoben wurden. Da ist gerade durch den Beachvolleyball-Boom enorm viel passiert ist. Es gibt natürlich noch immer deutlich mehr Fußballer, aber am Volleyball-Sektor ist ein enormer Aufschwung passiert. Im Beachvolleyball gibt es nun strukturierte Ligen auf nationalem und internationalem Niveau und natürlich großen Zuwachs im Hobbysport - in jedem Freibad gibt es schon einen Beachvolleyball-Platz. Mehr Schulterprobleme sind die Folge.

Standard: Was sind die häufigsten Beschwerden der Schulterpatienten?

Fialka: Das lässt sich in Gruppen zusammenfassen. Eine große sind Patienten, deren Schulter instabil, also locker ist. Das ist relativ häufig. Dann gibt es das sogenannte Engpasssyndrom: das subacromiale Impingement (siehe Wissen). Eine andere Gruppe sind Patienten, die mit Einrissen der Bizeps-Sehne oder der Rotatorenmanschette ins Krankenhaus kommen. Das ist vergleichsweise tückisch. Eher selten sind Abrisse der Sehnen in der Schulter, das passiert dann eher erst im Spätstadium. (Julia Grillmayr, DER STANDARD Printausgabe, 06.09.2010)