Bild nicht mehr verfügbar.

Michael Brandtner: "Red Bull hat sich selbst die Flügel gestutzt, weil man aus einem Original-Energydrink ein Sortiment von Energydrinks und einem Cola machte. Man beginnt so aus Markensicht, dass man sich entmystifiziert."

Foto: AP Photo/Bela Szandelszky

"Gestutzte Flügel" lautet die aktuelle Headline über Red Bull in einem österreichischen Nachrichtenmagazin. So soll Insidern zufolge Red Bull heuer um mindestens 15 Millionen Dosen weniger verkaufen. Gleichzeitig soll es Tiefe Einschnitte im Marketing geben. Das 1,5 Milliarden Euro schwere Budget wird angeblich um rund ein Drittel reduziert werden.

Das wahre Problem erkennen

Als Ursache für die "gestutzten Flügel" wird die zunehmende Anzahl der teilweise um vieles billigeren Me-too-Angebote genannt. Das mag sicher ein Mitgrund sein. Nur das wahre Problem liegt tiefer: Red Bull hat sich selbst die Flügel gestutzt, weil man aus einem Original-Energydrink ein Sortiment von Energydrinks und einem Cola machte. Man beginnt so aus Markensicht, dass man sich entmystifiziert. 

Die 0,25-Liter-Dose war nicht nur ein Getränkebehälter. Es war eine brillante Idee, um sich in einer Welt der 0,33er und 0,5er Dosen perfekt abzuheben. Zusätzlich suggerierte diese kleinere Dose höhere, konzentriertere Kraft und erlaubte auch diesen höheren Preis. Heute gibt es Red Bull in der klassischen 0,25er Dose, in der 0,350er Dose, in der 0,5er Dose, zusätzlich gibt es Red Bull Sugarfree und natürlich Red Bull Simply Cola und den Red Bull Energyshot.

Die Wahrnehmung der Kunden entscheidet

Nur so wird in der Wahrnehmung der Kunden - ganz unbewusst - aus einem Original, einer Markenikone immer mehr ein weiterer Sortimentsanbieter. Und einmal ehrlich: Wer wirklich einen halben Liter Red Bull auf einmal trinken will, soll sich einfach zwei Originaldosen kaufen. Red Bull ist kein Erfrischungsgetränk a la Coca-Cola, Fanta oder Almdudler.

Jeder (Hobby)-Psychologe weiß, dass wir Spezialisten höher einschätzen als Generalisten. Nur in der Marken- und Marketingwelt will jeder Generalist und niemand Spezialist sein. Deshalb lanciert Nokia (total kundenorientiert) bis zu 60 Handy-Modelle pro Jahr, während Apple bei Smartphones jeweils mit einem Leadprodukt (zurzeit iPhone 4) ein Kultprodukt schafft und Marktanteile gewinnt. Je breiter und unüberschaubarer eine Marke für die Kunden wird, desto geringer wird in der Regel die Wertschätzung durch den Kunden. So ist auch Sony schon längst nicht mehr das, was es früher einmal war. Das Gleiche gilt für Milka und irgendwann auch für Nivea. Der Krug geht solange zum Brunnen, bis er bricht. 

Übertriebene Markenausweitung ist der Hauptgrund, warum immer mehr Marken in den Supermärkten unter Preisdruck kommen. So stehen immer mehr Menschen mit unterfüllter Brieftasche vor überfüllten Regalen und sagen: "Eigentlich ist alles gleich." bzw. "Die Marke XYZ ist auch nicht mehr das, was sie früher einmal war." Und schon greift man zur Aktionsware oder zur billigeren Eigenmarke.

Zurück zum Fokus

Dies sollte man auch bei Red Bull bedenken, um jetzt zwei Dinge zu tun:  (1) Red Bull sollte Red Bull Simply Cola und den Energyshot einstellen und gleichzeitig die Anzahl der Gebinde auf den Prüfstand stellen. (2) Die Preise ganz moderat senken. Das ist wahrscheinlich in dieser Situation nicht die schlechteste Lösung. Natürlich muss Red Bull dabei trotzdem deutlich teurer bleiben als der Mitbewerb, aber der Preisabstand sollte sich sukzessive etwas verringern. 

Wird Red Bull das tun? Eher unwahrscheinlich! Die meisten Unternehmen schwanken in solchen Situationen ständig zwischen Marketingsparkurs (tiefe Budgeteinschnitte) und Marketingoffensive (Mehr Werbung, mehr Produkte) hin und her, um sich zu wundern, dass die Probleme auf Sicht größer statt kleiner werden. (Michael Brandtner, derStandard.at)