Die Politik müsse handeln, befindet Rechnungshofpräsident Josef Moser, besonders im Schulbereich bestehe dringender Reformbedarf. Die doppelten Strukturen gehörten aufgebrochen.

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STANDARD: Eigentlich haben Experten zur Verwaltungsreform bereits alles gesagt. Sind Sie manchmal frustriert, wie wenig sich die Politik dennoch bewegt?

Moser: Die Zeit drängt tatsächlich. Man muss sich fragen, ob wir in der Lage sind, die Zukunft so aufzubereiten, dass unsere Kinder noch Spielraum haben. Wenn wir jetzt nicht handeln, schaut es schlecht aus. An den Budgetkennzahlen, die für 2009 bereits vorliegen, zeigt sich eine massive Verschlechterung. Wir werden rasch handeln müssen, wenn wir die Qualität, die derzeit in vielen Bereichen noch besteht, nicht gefährden wollen. Ein Weiterbeharren auf historisch gewachsenen Strukturen kann fatale Folgewirkungen haben.

STANDARD: Was müsste man im Schulbereich dringend ändern?

Moser: Wir haben eine sehr komplexe Kompetenzverteilung, nicht nur im Schulbereich, auch bei Gesundheit und Pflege. Die Finanzierungsverantwortung bei den Aufgaben und Ausgaben fällt auseinander. Das führt zu unterschiedlichen Sichtweisen und Interessenlagen, zu Ineffizienz und Doppelgleisigkeiten. Diese Konflikte führen dazu, dass ein effizientes Handeln beeinträchtigt ist. Die Qualität im Schulbereich kommt bei den Schülern nicht ausreichend an.

STANDARD: Das heißt, man müsste die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern entflechten?

Moser: Man müsste die Ausgaben-Aufgaben-Finanzierungsverantwortung, wie das so schön heißt, zusammenführen. Die Doppelgleisigkeiten sind durch die Kompetenzprobleme bedingt. Das betrifft das Dienstrecht, die Leitungsverantwortung, die Personalsteuerung, die Aus- und Fortbildung, die Schulaufsicht, selbst das Gebäudemanagement. Durch die zersplitterten Strukturverhältnisse führt der Input bei der Bildung nicht zu einem entsprechenden Output.

STANDARD: Was wäre für eine effiziente Verwaltung besser: die Zuständigkeit des Bundes oder die der Länder?

Moser: Das ist das alte Problem in Österreich: Bevor man eine Reform in die Wege leitet und überhaupt die Aufgabe definiert, versucht man schon die letzte Frage zu beantworten, nämlich wer dann dafür verantwortlich ist. Eine echte Reform erfordert, dass man in den Inhalt hineingeht und sich nicht mit Oberflächlichkeiten begnügt.

STANDARD: Was wäre denn ein wichtiges Ergebnis einer Reform?

Moser: Neben anderen Ergebnissen jedenfalls die Schulautonomie, die müsste ausgebaut werden. Die Schule müsste tatsächlich die Möglichkeit haben, die Unterrichtsgestaltung und die Personalauswahl eigenverantwortlich nach einheitlichen Vorgaben zu machen.

STANDARD: Die Direktoren könnten sich ihr Personal dann selber aussuchen und sich nötigenfalls auch wieder von Lehrern trennen?

Moser: Die Personalhoheit müsste an die Schulen gehen, sie müssten die Möglichkeit haben, selber Lehrer auszusuchen und aufzunehmen, ihnen Aus- und Weiterbildung vorzugeben, aber wenn die Qualität nicht passt, dann eben auch dienstrechtliche Konsequenzen zu ziehen.

STANDARD: Arbeiten unsere Lehrer eigentlich genug?

Moser: Wir haben ein Problem mit den Unterrichtszeiten. In allen Schulstufen hält sich der Lehrer wesentlich weniger in der Klasse auf als im OECD-Schnitt. Der Lehrer kann sich nicht in vollem Ausmaß den Schülern widmen, er ist mit administrativen Tätigkeiten befasst.

STANDARD: Das heißt, die Lehrer sind nicht faul oder arbeiten weniger, sie tun nur das Falsche?

Moser: Sagen wir so: Es sind die Rahmenbedingungen nicht so, dass die Lehrer optimal eingesetzt sind.

(Michael Völker, DER STANDARD, Printausgabe, 1.9.2010)