Peter Lammerhuber.

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STANDARD: Österreichs Mediaagenturen haben die Interessenvertretung IGMA gegründet, Sie sind ihr erster Präsident. Fühlen sich die Mediaagenturen zuwenig gehört vom Gesetzgeber?

Lammerhuber: Theoretisch hat die Kammer Parteienstellung. Werbe- und Mediaagenturen sind in der Kammer vertreten. Aber wenn ein Gesetzesentwurf in der Kammer landet - uns fragt keiner. Wenn man sich nicht kammerpolitisch engagiert, zum Beispiel, weil man sich nicht gleich parteipolitisch deklarieren will, hat man keine Parteienstellung. Die bekommt man aber, wenn man eine nicht unwesentliche Gruppe vertritt. Die Mediaagenturen sind mittlerweile ein nicht unwesentlicher Bestandteil der österrreichischen Medienwirtschaft. Also könnten und sollten wir unsere Sicht der Dinge einbringen. Man muss ja nicht unbedingt auf uns hören.

STANDARD: Was wollen Sie inhaltlich?

Lammerhuber: Hauptgrund ist die neue Struktur der Media-Analyse. Mitglieder dieses neuen Media-Servers sind Interessensvertretungen und Trägervereine. Ohne Verband wären die Agenturen, die bisher Mitglied sind, nicht dabei. Und wenn wir schon eine Interessenvertretung gründen, dann machen wir es gleich gescheit und haben die Statuten weiter gefasst, über die Marktforschung hinaus. Wir sind flexibel, auch Interessen im weiteren Sinne wahrzunehmen.

STANDARD: Wie weit geht dieser Sinn auch ins konkret Wirtschaftliche?

Lammerhuber: Das ist kein Verein, wo wir Konditionen austauschen oder Preise absprechen. Das wäre ein wettbewerbsrechtliches Problem. Wir werden einen Teufel tun. Wir stehen im Wettbewerb zueinander. Aber es gibt gemeinsame Interessen - Medienforschung und Marktentwicklungen. Wir sehen die IGMA als Gruppe, die für den Markt etwas bewegen will.

STANDARD: Wie weit ist die gemeinsame branchenpolitische Linie?

Lammerhuber: Wir haben ein internes Positionspapier zum Mediaserver. Aber Positionen zu allgemeinen medienpolitischen Fragen müssen wir erst erarbeiten. Das tut der Vorstand ab September. Grundsätzlich geht es uns darum, die österreichische Medienlandschaft und ihre Entwicklung zu fördern, zu unterstützen, auch im Interesse unserer Kunden und der Medienvielfalt dieses Landes. Wenn man gewisse Volumina verantwortet, hat man auch eine medienpolitische und gestalterische Aufgabe und Verantwortung.

STANDARD: Das neue ORF-Gesetz tritt mit 1. Oktober in Kraft, eines der zentralen medienpolitischen Ereignisse dieses Jahres.

Lammerhuber: Viel ändert sich nicht.

STANDARD: Hätte es die IGMA im Juni, als der Nationalrat das Gesetz beschlossen hat, schon gegeben - was hätte ihr Präsident Peter Lammerhuber dazu gesagt? Die IGMA muss ihre medienpolitischen Forderungen ja noch formulieren - aber als langjähriger Big Player im Markt haben Sie sicher eine Meinung dazu.

Lammerhuber: Ein paar Punkte sind einfach Humbug. Zum Beispiel, dass der ORF die Konditionen für Werbeschaltungen offenlegen muss. Ich glaube nicht, dass das der Markt goutiert, dass das die Kunden goutieren, und ich sehe auch keine wirkliche Notwendigkeit. Oder die Beschränkungen für Onlinewerbung: Es ist völlig willkürlich, das Werbevolumen des ORF im Internet mit zunächst drei Prozent, ab 2013 vier Prozent und ab 2016 fünf Prozent der Gebühreneinnahmen festzulegen. Da könnten wir auch fünf Prozent meines Bauchumfanges als Obergrenze festlegen. Immerhin sind es nicht die ursprünglich geplanten zwei Prozent der Gebühreneinahmen geworden. Aber wenn man wirklich gegen Onlinewerbung im ORF ist, soll man das offen sagen. Ich verstehe diese Willkür nicht.

STANDARD: Haben Sie häufiger das Gefühl, dass die österreichische Medienpolitik willkürlich agiert?

Lammerhuber: Die österreichische Medienpolitik hat aus meiner Sicht überhaupt keinen Plan für die Weiterentwicklung des Medienstandortes Österreich. Null. Es geht ihr letztendlich nur darum, Pfründe und politischen Einfluss für den nächsten Wahlkampf zu sichern. Die Medien, der Medienstandort, die Kreativität und die wirtschaftliche Basis österreichischer Medien sind ihnen de facto wurscht, so lange sie ihren Einfluss wahrnehmen können.

STANDARD: Womit sollte sich die Medienpolitik beschäftigen?

Lammerhuber: Die Digitalisierung, die Facebooks, die Googles, digitale Überreichweiten durch Satelliten, das sind alles offene Fragen. Sie können das beste Management auf den Küniglberg setzen, dieses Management kann im Quadrat hüpfen: Wenn ständig mehr Programme über digitale Satelliten in die Haushalte kommen, kann dieses Management wenig ausrichten.

STANDARD: Sie meinen, die ORF-Führung hat keine Chance gegen sinkende Marktanteile und Reichweiten?

Lammerhuber: De facto kaum. Digitalisierung bestimmt den Markt. In allen Bereichen. Das gilt für das Fernsehen wie für das Zeitungswesen. Die Menschen haben immer und überall Zugang zu allen Inhalten dieser Erde. Langsam sollte man medienpolitisch darüber nachdenken: Was heißt das für die Medienkultur und Medienwirtschaft und für die politische Kultur eines Landes? Können sich da nationale, regionale, lokale Medien noch rechnen - und welche Rahmenbedingungen brauchen sie? Haben die Medien in diesem Überangebot überhaupt noch die Chance, bei den Menschen anzukommen? Kann sich Information gegen Gaming-Unterhaltung behaupten? Bekommen die Leuten künftig nur noch die Google-Wahrheit, und wer bestimmt die? Ein Algorithmus, von dem wir nicht wissen, wie er funktioniert. Die Medienpolitik beschäftigt sich nicht damit. Die interessiert sich nur dafür, wie lange sie in der ZiB vorkommt. Bis keiner mehr die ZiB sieht.

STANDARD: Wieviel Gewicht, wieviele Milliarden Euro bringt die IGMA auf die Waagschale? Die 13 größten Mediaagenturen buchen laut Focus für brutto 1,7 Milliarden Euro pro Jahr.

Lammerhuber: Das habe ich nicht zusammengezählt. De facto sind bis auf zwei kleinere alle uns bekannten Mediaagenturen Mitglieder. Und auch für die sind wir weiterhin offen, sie haben sich nur auf unsere Anfrage nicht gemeldet.

STANDARD: Die Group M, der Sie vorstehen, dominiert den Markt der Mediaagenturen - brauchen Sie überhaupt eine IGMA?

Lammerhuber: Wir haben rund 35 Prozent Marktanteil in der klassischen Werbung und im Gesamtmarkt, also inklusive Direct Marketing, haben wir um 16, 17 Prozent. Wirtschaftlich ist das eine nette Gruppe, aber im Sinne von Einfluss auf den Markt ist sie nicht so bedeutend. Der IGMA geht darum, einer wesentlichen Branche medienpolitisches Gehör zu verschaffen. Und das geht nur über einen Verein, eine Interessenvertretung. Sonst hört Ihnen die Politik nicht zu. Und, das ist mir wichtig: Die IGMA repräsentiert die Meinung des Gesamtmarktes und nicht meine Meinung.

STANDARD: Seit Monaten macht die Runde, Sie wollten die Media Austria in die Group M holen? Was ist da dran?

Lammerhuber: Das kommentiere ich nicht. (Harald Fidler/DER STANDARD; Printausgabe, 1.9.2010; Langfassung)