Eine Frage von Mensch zu Mensch: Woran erkennt der mündige Bürger eine Qualitätszeitung? Schon darüber, was eine Qualitätszeitung sei, gehen bekanntlich die Meinungen diametral auseinander. Wie soll sich dann erst die Frage beantworten lassen, woran der mündige Bürger eine solche erkenne? Was unmittelbar zur nächsten führt, was denn ein mündiger Bürger sei, beziehungsweise woran man ihn erkenne. Eine mögliche Antwort darauf könnte so lauten: Den mündigen Bürger erkennt man - unter anderem - an der Zeitung, an den Zeitungen, aus denen er sich informiert. Was natürlich voraussetzt, dass diese Informationen enthalten, die Mündigkeit nicht geradezu verhindern, und Meinungen, die zum Nachdenken statt zu Vorurteilen anregen.

Die Probe auf die Qualität dieser Wechselbeziehung zwischen dem um seine Mündigkeit ringenden Bürger und seiner Zeitung findet in Berichten und Kommentaren, vor allem aber auf der Leserbriefseite statt. Die Breite der dort vertretenen Ansichten verrät darüber jeweils ebenso viel wie der Grad der Gleichschaltung mit den vom Herausgeber diktierten Ansichten.

Mit einer Konsequenz, die der "Prawda" unter Väterchen Stalin alle Ehre gemacht hätte, finden in der "Kronen Zeitung" seit Wochen Leserbriefe zu den Umtriebigkeiten der Haider-Gang nicht statt. Nur einmal, vorige Woche, dürfte das irgendjemandem doch peinlich geworden sein, und da kam, ausnahmsweise, ein Roland Reichart, Wien zu Wort mit der Frage: Woran erkennt der mündige Bürger eine Qualitätszeitung? Seine spontane Antwort war zunächst vielversprechend: An den recherchierten Fakten einer Geschichte und an der schlüssigen Berichterstattung hieraus.

Doch diese Erkenntnis konnte ihn nicht zu einem Gewaltausbruch aus selbstverschuldeter Unmündigkeit bewegen, kein Wunder, wenn sich schon Tatsachen von selbst disqualifizieren. Allein die Tatsache, dass das "hochbrisante" Meischberger-Tagebuch seit Februar den Behörden vorliegt, jedoch erst exakt zwei Monate vor der Wien-Wahl das Licht der Öffentlichkeit erblickt, disqualifiziert sich bei jedem denkenden Bürger von selbst. Und weil sich so viel Mündigkeit irgendwie Bahn brechen muss: Was so manche "Tageszeitungen" aus den Gerüchten von Gerüchten vom Hörensagen anonymer Zeugen konstruieren, sich aus der Redakteure Finger saugen und an den Haaren des Herausgebers herbeiziehen, zeigt - ganz anders als taxativ aufgezählte Fakten von Peter Gnam - schon deutlich die politische Gängelung sowie die wirtschaftliche Abhängigkeit der betreffenden Redaktion.

Wenn Peter Gnam einmal taxativ Fakten aufzählt - von recherchierten Fakten und schlüssiger Berichterstattung hieraus ist eher wenig zu merken -, zeugt das, was sich die "Krone" aus der Redakteure Finger saugt, eher von redaktioneller Gängelung als von schlüssiger Berichterstattung. Das heißt aber nicht, dass nicht in anderen Ressorts beinhart recherchiert würde. Für die Sonntagsausgabe, Doppelseite, wurde die für ihre Gnadenlosigkeit gefürchtete Marga Swoboda auf das Wunschkind des verblichenen Herausgebers angesetzt. Und da gab es Fakten über Fakten.

Er hatte einen legeren Pulli, möglicherweise Kaschmir, über ein blütenweißes, schwer tailliertes Hemd geknotet. Die Jeans: sagenhaft schmal. Lagerfelds Muse kann nicht lässiger sein. Kaum hat er die Gebetsmühle angeworfen - Es ist eine Hetzjagd, alles mit dieser Privatisierung ist voll transparent abgelaufen, ja, schon, der Meischi hat angerufen, aber was hab ich damit zu tun? - folgt das Erwartete. Das Handy säuselt. Engel! Armer Engel! Es ist Fiona aus Kitz, und Fiona ist marod. Und KHG ist in Wien. Und dann in Athen. Geschäfte. Erst zum Weekend wird man wieder zusammen sein. Am Wörthersee.

Zum Denken. Große Denker von Plato abwärts faszinieren ihn. Fionas Welt wird auch als erweiterter Kunstraum erlebt. Überhaupt: Mit Fiona kam die Metamorphose vom manchmal ungelenk wirkenden faden Brillen-Typen zum trittsicheren Darling mondänster Welten. Letzter Schliff: die gelaserten Augen. Die Lieblingsdichterin in allen Fragebögen heißt Ingeborg Bachmann, und dürfte sich im Grabe umdrehen bei dieser Konkurrenz. Engel! Ich ruf dich später wieder an. Die Liebe meines Lebens, ja. Und eines Tages, davon geht er aus, wird seine Leistung für das Land noch gewürdigt werden. In historischer Dimension.

Leser Roland Reichart hat Recht. Nur die "Krone" bleibt dran. Das sind eben Merkmale einer Qualitätszeitung. (Günter Traxler, DER STANDARD; Printausgabe, 31.8.2010)