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Martin Luther King habe einen "Traum" gehabt, der konservative TV-Moderator Glenn Beck sei ein "Albtraum", insinuierten linke Aktivisten mit ihrem Plakat am Samstag in Washington.

Foto: Riecken/EPA

Sie wollen "ihre USA" aus den Händen von Präsident Obama befreien.

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Glenn Beck läuft auf der Bühne auf und ab, wie es sonntags die Priester protestantischer Megakirchen tun. Hinter ihm bilden die dorischen Säulen des Lincoln Memorial eine imposante Kulisse. Vor ihm hat sich eine dichte Menschenmenge versammelt, die der Fernsehmoderator eine halbe Million schätzt, Nachrichtenagenturen sprechen eher von "zehntausenden". Gut zwei Monate vor den Kongresswahlen zeigt die erzkonservative Tea Party Flagge. "Hier passiert etwas, was die Kräfte des Menschen übersteigt", deklamiert Beck. "Heute beginnt Amerika, sich wieder Gott zuzuwenden."

Auf den Tag genau vor 47 Jahren stand an selber Stelle Martin Luther King, der große Prediger der Bürgerrechtsbewegung, um eine Rede zu halten, die mit den Worten "I have a dream" begann. Beck, das markanteste Gesicht des Senders Fox News, will Kings Traum "zurückholen", und die "deformierte Bürgerrechtsbewegung" vom Kopf auf die Füße stellen. Die Demonstranten sind fast durchgängig weiß, ganz anders als 1963 beim legendären Marsch auf Washington. Geschätztes Durchschnittsalter: 55 Jahre.

Steve Everette hat es sich auf der Wiese nebenan im Campingstuhl bequemt gemacht, die Kühltasche mit Coladosen und Kartoffelsalat in Reichweite. "Die Politiker spielen sich wie Könige auf, sie sind keine Diener mehr", grollt Everette, ein Fuhrunternehmer. "Die machen, was sie wollen. Nicht, was wir wollen." Entrüstet spricht der Grauschopf von Steuererhöhungen und davon, dass er seine Firma dann dichtmachen kann.

John Balazek, ein Schweißer mit der Statur eines Kleiderschranks, hat sich von einem Kumpel eine zehn Meter hohe Flagge ausgeliehen, um es hier wehen zu lassen. Der Hüne ist arbeitslos und voller Skepsis. "Unser Defizit wächst und wächst, bald bricht der Dollar zusammen, dann ist mein Geld gar nichts mehr wert."

Der schwarze Bürgerrechtler Al Sharpton wehrt sich indessen gegen Becks Versuch, die Geschichte umzuschreiben. Er organisierte einen eigenen Marsch, von einer Schule in einem Washingtoner Armenviertel bis hinters Weiße Haus. Die Tea Party, kritisiert er, veranstalte "eine Anti-Regierungsdemo just an dem Tag, an dem King die Regierung aufforderte, mehr zu tun", kritisiert Sharpton.

Hymnen von Sarah Palin

Vorn auf den Treppenstufen des Lincoln-Monuments singen Gospelchöre, Auszüge aus Kings Rede werden eingeblendet, immer wieder. Sarah Palin, die Starrednerin, singt eine Hymne auf ihren Sohn Track, der als Soldat im Irak kämpfte. "Sagt über mich, was ihr wollt. Aber ich habe einen Kriegsveteranen großgezogen, und das kann mir niemand nehmen."

Dann wirft die Diva der Konservativen Präsident Barack Obama den Fehdehandschuh zu, spielt an auf Sätze des Präsidenten, wonach das Land reformiert werden muss. "Wir dürfen Amerika nicht fundamental verändern, wie manche es wollen. Wir müssen Amerika wiederherstellen, wir müssen seine Ehre wiederherstellen." (Frank Herrmann aus Washington/DER STANDARD, Printausgabe, 30.8.2010)