Wäre sie die Göttin der Heuchelei, Pallas Athene zierte zu Recht das österreichische Parlament. Als Göttin der Weisheit ist sie dort fehl am Platz. Deutlich wie lange nicht hat es dieser Mittwoch gezeigt, so markant, in wenige Stunden komprimiert, tritt die Verluderung der Republik nur selten zutage. Das beginnt mit dem kaltschnäuzigen Bestemm des Finanzministers, das Budget verfassungswidrig erst im Dezember vorlegen zu wollen - unter Beihilfe des Koalitionspartners. Er weiß, dass alle wissen, warum er das tut. Daher sucht er nach Beschönigung, deren Überdeterminiertheit ihre Fadenscheinigkeit aber nur umso deutlicher hervortreten lässt.

Noch nie habe es so komplexe Problemstellungen gegeben, behauptet er, womit er verschleiern will, dass es wohl noch nie eine so un-, ja kontraproduktive Koalition gegeben hat. Dafür werde es ein Paket geben, das "Österreich seit 1945 noch nicht gesehen hat" (Die Presse). Das ist zu befürchten, aber auch schon auf andere Budgets zugetroffen. Trotzdem solle dieses fantastische Unikat, wegen der Begutachtungsfristen, eigentlich ohnehin schon viele Wochen vor dem 1. Dezember vorliegen, aber halt just vor dem Tag der Wiener Landtagswahlen geht sich rein gar nichts aus. Schon deshalb, weil es für die SPÖ - nur für sie? - dann leichter sei, sich zu bewegen, und er daher so lange zuwarten müsse (Salzburger Nachrichten).

Und im Übrigen habe er das Parlament ohnehin im Sommer informiert, dass es schwierig werden wird, den Budgetfahrplan einzuhalten. Wann war das je leicht? Und setzt eine Information des Finanzministers die Verfassung einfach außer Kraft? Ja, wenn frei gewählte Koalitionsmarionetten auf einen Knopfdruck der Regierung hin, statt die Verfassung zu schützen, ihren Bruch ohne viel Federlesens sanktionieren.

Immerhin, die Opposition hat es aufgeregt. Mehr demokratiepolitische Glaubwürdigkeit als der Regierung kam ihr dabei aber nicht zu. Dass Misstrauensanträge nicht mehr sind als propagandistisches Spielmaterial ohne sonstige Wirkung, ist bekannt. Zu offensichtlich war den Resteln der Haiderbande diverser Farbschattierungen dieser Parlamentstag ein willkommener Anlass, ein wenig von ihren Problemen mit der Kärntner Erbschaft abzulenken. Unfreiwillig komisch der Vorwurf Straches, die Regierung handle aus "niedrigen Beweggründen". Das Einzige, was seine Dringliche mit 190 Fragen billig ermöglichte, war Prölls Ausflucht, das ließe sich in 20 Minuten nicht beantworten. FPÖ bzw. BZÖ haben in einer Regierung schon weit Schlimmeres angestellt, als dass man ihnen abnähme, sie würden sich, nochmals in einer Koalition, schützend vor die Verfassung stellen.

Und wenn Eva Glawischnig von einer Verhöhnung nicht nur des Parlaments, sondern der Bevölkerung sprach, wäre zu erinnern: Der nun geplante Anschlag auf die Verfassung bleibt hoffentlich einmalig, aber die diskussionslos beschlossene Verlängerung der Legislaturperiode auf fünf Jahre bleibt eine ständige Verkürzung des Wahlrechts, und an dieser viel größeren Verhöhnung der Bevölkerung waren die Grünen ebenso beteiligt wie alle anderen Parteien.(Günter Traxler, DER STANDARD, Printausgabe, 27.8.2010)