Am Charlotte Square, der versteckt hinter der Einkaufsmeile Princes Street liegt, herrscht derzeit reges Treiben. Mit mehr als 700 Veranstaltungen (200 davon für Kinder und Jugendliche) und rund 220.000 Besuchern markiert das Edinburgh International Book Festival eines der Highlights des britischen Literaturkalenders. Fünf Veranstaltungszelte sowie zwei Bücherläden und ein eigenes Autogrammzelt sind am Charlotte Square im Viereck angeordnet, sodass in der Mitte eine große Grünfläche frei bleibt, auf der die lesefreudigen Besucher im frisch signierten Buch schmökern, über einem "cup of tea" plaudern oder in der Sonne faulenzen können.

Beim Programm setzt Edinburgh auf Vielfalt - sowohl was Nationalitäten, Genres und Bekanntheitsgrad der Autoren angeht, als auch in Hinblick auf das Präsentationsformat. Neben bekannten Namen wie A. L. Kennedy, Hanif Kureishi, Lionel Shriver, David Mitchell oder Julia Franck finden sich Newcomer wie der Ex-Banker Alex Preston, dessen erster Roman This Bleeding City für den Readers' First Book Award nominiert ist - einen Förderpreis, der eigens für das Festival ins Leben gerufen wurde und per Besucher-Voting vergeben wird.

Begegnung und Interaktion

Ein weiterer Preis, der im Rahmen des Book Festivals vergeben wird, ist der prestigeträchtige James-Tait-Blac-Gedenkpreis - der älteste britische Buchpreis, der in der Vergangenheit Giganten wie D. H. Lawrence, E. M. Forster, oder Rose Tremain auszeichnete. Der Belletristik-Preis ging heuer an "Dame" A. S. Byatt, die ihr jüngstes Werk The Children's Book beim Festival vorstellte.

Der Schwerpunkt der Veranstaltungen liegt auf Interview, Begegnung und Interaktion, mehr als man das hierzulande vielleicht gewohnt ist. Die einleitenden Worte fallen meist sehr kurz aus, und auch die reine Lesezeit hält sich in knappen Grenzen, während ein oft gehörter Satz der Moderatoren an das Publikum lautet: "This is your festival, so think about your questions." Man wird dezidiert angeregt, sich aktiv einzubringen, und das Edinburgher Publikum zeigt nicht nur fachliche Neugier, sondern auch reges Interesse am Privatleben der Autoren (Frage an Janice Galloway: "Tell us about the men in your life.").

Facebook-Debatte

Der Unterhaltungswert der Events steht klar im Vordergrund. Wenngleich man gelegentlich gerne längere Passagen aus den Werken hören würde, ist es durchaus amüsant, wenn Dame A. S. Byatt über ihren Landsmann H. G. Wells lästert ("How did he get all these women into bed?") oder Booker-Gewinner und Enfant terrible DBC Pierre über seine Ikea-Allergie sinniert und erläutert, warum er nie wieder ein Flugzeug mit Peter O'Toole teilen möchte.

Im Zeichen der Interaktion stehen auch Festival-Debatten zu aktuellen Themen wie "Is facebook changing the nature of friendship?", in die das Publikum eingebunden wird, und kleine Schreibinitiativen, die Leser anregen, sich schriftstellerisch zu versuchen und deren interessanteste Ergebnisse verlesen werden.

Das Book Festival ist durchwegs gut besucht, und wenngleich Direktor Nick Barley auf die vielfältige Programmgestaltung stolz ist, so gibt er gerne zu, dass andere Faktoren den Erfolg des Festivals wesentlich mitbestimmen. Zum einen kann die Stadt auf eine lange literarische Tradition zurückblicken (man denke nur an Peter Pan, Sherlock Holmes und Dr Jekyll - alles Edinburgher); nicht ohne Grund wurde Edinburg 2004 zur ersten Unesco City of Literature ernannt.

Doch vor allem findet das Book Festival zeitgleich mit dem berühmten International Festival statt, das jährlich dafür sorgt, dass sich die Bevölkerung in Edinburgh sommers nahezu verdoppelt. Im August brodelt es in der sonst so kühlen Stadt, und das pralle Kulturprogramm wie auch die spektakuläre Landschaft machen einen Besuch besonders lohnenswert.  (Julia Lajta-Novak, DER STANDARD - Printausgabe, 27. August 2010)