Graz - Veränderungen in zwei Genen des menschlichen Erbguts scheinen für das Auftreten einer Meningokokken-Infektion verantwortlich zu sein. Das haben internationale Wissenschafter unter Beteiligung der Medizinischen Universität Graz im Rahmen einer mehrjährigen Forschungsarbeit herausgefunden. Die beiden Gene codieren Proteine des sogenannten Komplementsystems des menschlichen Immunsystems. Auf welche Weise die veränderten Gene die Infektion erleichtern, ist aber noch nicht geklärt.

Hintergrund

Bei der Mehrheit der Menschen können Meningokokken den Nasen-Rachen-Raum besiedeln, ohne eine Erkrankung auszulösen. Bei einigen wenigen treten die Bakterien jedoch in die Blutbahn ein, wo sie dann sehr rasch zu einer Hirnhautentzündung (Meningitis) oder/und Blutvergiftung (Sepsis) führen. Tatsächlich ist die Erkrankung selten: Eine von 100.000 Personen erkrankt daran. Die Ergebnisse der multizentrischen molekulargenetischen Untersuchung bringen Licht ins Dunkel, warum einige Menschen für die Infektion anfällig sind und andere anscheinend immun.

Auswertungen

Insgesamt wurde in der internationalen Studie unter der Leitung von Michael Levin vom Imperial College and St. Mary's Hospital in London das Genom von rund 1.500 Patienten aus England, Holland, Spanien und Österreich aus drei verschiedenen Kohorten sowie einer Kontrollgruppe von 6.000 Probanden untersucht und auf genetische Varianten analysiert. An der Grazer Med-Uni wurden Blutproben aus über 100 Kinderkliniken aus Deutschland, der Schweiz, Italien und Österreich gesammelt und molekulargenetisch ausgewertet.

Dabei zeigten sich zwei genetische Risikofaktoren, die den Weg zur Erkrankung ebnen können. "Es handelt sich unseres Wissens um die Erstbeschreibung, dass normale genetische Variationen des Menschen für das Auftreten einer Infektionserkrankung verantwortlich sind", so Werner Zenz von der Klinischen Abteilung für Allgemeine Pädiatrie der Medizinischen Universität Graz anlässlich der Publikation der Studie in der jüngsten Ausgabe von "Nature Genetics".

Identifizierte Gene

Im Rahmen der Studie wurden zwei Gene im Bereich des Faktor H (CFH) und des Faktor H bindenden Proteins (CFHR3) des Komplementsystems identifiziert. Dieses System ist ein Teil der Immunsystems und besteht aus mehreren Proteinen, die der Abwehr von Mikroorganismen dienen. Damit das Komplementsystem nicht körpereigene Strukturen angreift und somit Autoimmunerkrankungen auslöst, muss es genau reguliert werden. Zu diesen Regulationsfaktoren gehören Faktor H und das CFHR3. Die Vermutung: Kommt es in diesem Bereich zu genetischen Fehlern, könnten sich die Bakterien an die Proteine anbinden. Das Immunsystem erkennt sie in der Folge nicht und es kommt zu keiner Abwehrreaktion.

Nun will man weitere Studien durchführen, vor allem um im Vergleich zwischen Verstorbenen und Überlebenden spezifische Gene zu finden, die für das Überleben oder den Tod der Patienten verantwortlich sein könnten. Ziel ist die Entwicklung eines neuen, spezifischen Meningokokken-Impfstoffes. (APA/red)