Was genau die Zeichen vor der Wohnungstür von Herrn P. bedeuten, ist nicht ganz eindeutig. Das Kreuz steht für gutes Objekt, der Pfeil zeigt Richtung Wohnungstür und das "Hakerl" könnte für "bereits eingebrochen" stehen - was aber noch nicht passiert ist.

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Der Nachbar von Herrn P. hat als Schutzmaßnahme selbst einen Gaunerzinken an die Wohnungstür geritzt - Bedeutung: "Nichts zu holen"

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Herr P. setzt auf eine drastischere Vorgangsweise und schenkte seiner Freundin zum Geburtstag diesen Baseballschläger.

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"Es ist einfach unangenehm", sagt Herr P. und meint die kleinen Zeichen an der Wand vor seiner Wohnungstür im 12. Wiener Gemeindebezirk. Sie sind nur ein paar Zentimeter groß und wurden mit Bleistift aufgetragen. Dennoch lassen sich eindeutig ein Pfeil und zwei „X" erkennen. Wer die Symbole an die Wand gemalt hat, ist nicht bekannt. Warum diese Zeichen dort angebracht sind, kann man allerdings erahnen.

„Gaunerzinken" sind kleine Symbole, die von Dieben oder Bettlern an der Wand oder dem Türstock angebracht werden. Manchmal sind sie auch auf Briefkästen oder Gegensprechanlagen zu finden. Die Zeichen geben Eingeweihten Aufschluss über die Bewohner eines Hauses. Ein Kreuz bedeutet „Gutes Objekt" während drei parallele Linien für „Bereits eingebrochen" stehen.

„Gaunerzinken gab es schon im 16. Jahrhundert", berichtet Helmut Greiner vom Bundeskriminalamt Wien und fügt hinzu: „Schon damals wurden sie von wandernden Völkern und ethnischen Minderheiten verwendet, um Häuser zu kennzeichnen."

Gaunerzinken vs. Arabische Schriftzeichen

Dass Herr P. solche Zeichen nun entdeckt hat, verwundert Greiner nicht: „Gaunerzinken treten vermehrt während der Urlaubszeit auf und markieren zum Beispiel unbewohnte Wohnungen". Trotzdem rät er von übertriebener Panik ab, denn nicht jedes Symbol ist gleich ein Gaunerzinken. „Wir bekamen letztens einen Anruf besorgter Bewohner, die Gaunerzinken am Haustor entdeckt haben", erzählt Greiner. Als die Polizei dann dort eintraf konnte sie beruhigen. Die vermeintlichen Gaunerzinken stammten von dem Hausmeister, der auf einem Zettel in arabischer Schrift „Haustür schließen" notiert hatte.

Das Bundeskriminalamt hat nun auf Facebook eine Liste mit den gängigsten Gaunerzinken veröffentlicht. Warum die Polizei die Bedeutung der Symbole kennt? „Teilweise haben uns ertappte Täter eingeweiht, teilweise stellen wir Vermutungen an", erläutert Greiner. 

Selbsthilfe in verschiedenen Formen

Herr P. hingegen zweifelt an der einheitlichen Bedeutung der Zeichen: „Ich bin mir sicher, dass jede Einbrecherbande eigene Zeichen hat. Für mich ist das Ganze organisiert - erst ausspionieren, dann einbrechen." Und er berichtet, dass sich sein Nachbar jetzt selbst ein Zeichen - einen Kreis mit einem Kreuz - an die Wohnungstür gemalt hat. Es steht für „Nichts zu holen".

Wenn einem eigenartige Symbole auffallen, sollte man diese fotografieren, entfernen und den Vorfall sofort der Polizei melden. „Wir legen auf diese Wohnungen dann besonderes Augenmerk", sagt Greiner. Genau so hat es auch Herr P. gemacht. Dass er jetzt besonderen Schutz der Polizei genießt, glaubt er aber nicht. „Was soll die Polizei denn machen?", sagt er und erzählt, dass seine Freundin nach dem Vorfall ein ganz besonderes Geburtstagsgeschenk bekommen hat: einen Baseballschläger. (Nina Grünberger, derStandard.at, 26.8.2010)