Über Facebook oder Dienste wie Foursquare kann man der Welt zeigen, wo man ist

Foto: Foursquare

Zwei Entwicklungsstränge des Menschen wachsen derzeit zu einer digitalen Einheit zusammen: das Sesshafte der Ackerbauer und das Nomadische der Jäger und Sammler (selbstverständlich auch Bäuerinnen, Jägerinnen, Sammlerinnen).

"virtual communities"

Unsere wachsende Mobilität hat aus geografisch gebildeten Gemeinschaften längst "virtual communities" gemacht, die der Autor Howard Rheingold schon Ende der 1980er-Jahre beschrieb. In dem Maße, in dem wir uns zwischen einer Vielzahl an Orten und Menschen bewegen, ist unser "Zuhause" auch der Online-Raum geworden. Unabhängig vom realen Ort finden wir hier die Menschen, die unsere Community bilden und nicht ständig physisch anwesend sind.

Zu diesem sozialen Kitt kommt dank Mobilfunk und GPS auch die mögliche Mitteilung, wo wir uns gerade aufhalten. Als abstrakte Ortsangabe belanglos, als soziale Ortsangabe wie Smalltalk: Ich bin gerade in diesem oder jenem Café, im Gänsehäufel, auf der Skihütte. Damit knüpft man an gemeinsame Erfahrungen an oder gibt die Möglichkeit, sich zu treffen.

Geotagging

Eine Reihe neuer Onlinedienste versuchen dies abzudecken, Foursquare in Österreich wahrscheinlich der vorläufig populärste. Facebook hat diese Funktion ("Places") in den USA hinzugefügt, in einigen Monaten wahrscheinlich auch in Europa möglich.

Wie bei vielen neuen Angeboten im Experimentierstadium sind die Reaktionen gespalten: Die einen nutzen spielerisch eine neue Möglichkeit, ziehen mit ihrem Interesse andere mit hinein. Die anderen reagieren ablehnend - oft mit apokalyptischen Warnungen über die Überwachungsmöglichkeiten, denen wir uns damit ausliefern. Die Website PleaseRobMe.com veröffentlichte, als pädagogische Übung gedacht, Twitter-Meldungen von Leuten, die mitteilten, dass sie nicht daheim waren. Aber hallo - ist Twitter an den Einbruchsraten in Wien schuld, weil Einbrecher gebannt am Handy auf ihre nächste Chance warten?

Grenzenlose Naivität

Natürlich sind neue Möglichkeiten mit Vorsicht zu erkunden. Die Zeiten, in denen wir alles anklicken, was lustig erscheint, sollten längst vorbei sein - obwohl regelmäßige Berichte über Phishing-Opfer und ähnliches zeigen, dass Naivität online offenbar weiterhin grenzenlos sein kann.

Aber bleiben wir für einen Augenblick bei mündigen Usern und der Realität. Da hat die Ortsmitteilung, die freiwillig und nicht automatisch erfolgt, vorerst noch meist spielerischen Charakter. Von manchen Eltern kommt Zustimmung, weil es ihnen leichter fällt, ihre jugendlichen Kinder auf Interrail-Reise ziehen zu lassen, wenn sie über deren Aufenthaltsort mittels Google Latitude am Laufenden bleiben (das Gegenargument der langen Leine ist zu erwarten, aber diese Ambivalenz ist in Erziehungsfragen unvermeidlich). Auf Fotos, die von neueren Handys oder Digitalkameras ein "Geotag" erhalten, ist es eine Gedächtnishilfe - möglicherweise auch unabsichtlicher Verräter. Vor allem bleibt uns eine unbestreitbare Möglichkeit: der Knopf zum Ein- und Ausschalten. Dieser sollte leicht zu finden sein. (Helmut Spudich, Kolumne Personal Tools, DER STANDARD/Printausgabe, 26.8.2010)