Medaillen sind im modernen Spitzensport nur mehr mithilfe von Labors zu machen, und damit ist ausdrücklich nicht die Tour de France gemeint. Wenn etwa eine Wettkampfsportart wie das Kunstbahnrodeln auf nur sechzehn Anlagen weltweit (aus)geübt werden kann, bedarf es längst auch der angewandten Forschung und Entwicklung für einen langfristigen Wettbewerbsvorteil.

Das Technologiezentrum für Ski- und Alpinsport an der Uni Innsbruck versucht seit seiner Gründung im Jahr 2005 genau diesen Vorsprung ins Ziel zu bringen - im Sinne des Ski- und Rodelverbandes genauso wie im Interesse des Tourismuslandes Tirol. Die Entwicklung einer 500 Meter lange Kunsteisbahn für Rodler, die nunmehr rasch und günstig aus Kunststoffmodulen zusammengebaut werden kann, scheint solchen Ansprüchen jedenfalls gerecht zu werden. Als Kurzbahn, auf deren offizielle Anerkennung für den Wettkampf Werner Nachbauer, der Leiter des Technologiezentrums, noch hofft, ist sie ein funktionales Hybrid für übungshungrige Spitzensportler und Freizeitrodler gleichermaßen.

Fünf Jahre Entwicklungszeit waren für dieses Baukastensystem nötig, das die herkömmlichen Einzelanfertigungen von Kunstrodelbahnen beinahe in jedem technologischen Aspekt weit hinter sich lässt. Bei der Zusammenarbeit mit sieben - vor allem Tiroler - Unternehmen konnte freilich bereits auf das nötige Vorwissen zurückgegriffen werden.

Der Kunststoffverarbeiter Schiestl etwa brachte sich mit seiner Entwicklung eines Hohlkörperlaminats in die Fertigung ein. Dieser Kunststoff eignet sich ungewöhnlich gut für die Vereisung - im Test konnten sogar bei bis zu 20 Grad plus brauchbare Eisflächen erzeugt werden.

Wetterfester Wettbewerb

Durch die unübliche Materialwahl wird letztlich eine Nutzungsdauer von bis neun Monaten im Jahr ermöglicht - das verschafft Wettkämpfern wie Touristikern bisher undenkbare Wettbewerbsvorteile. Damit die Bahn fast schon unabhängig von der Außentemperatur genutzt werden kann, waren allerdings noch andere Ideen von Zulieferern nötig: Eine derartige Bahn muss vollflächig beschattet und zudem bestens isoliert sein - auch hierbei kamen neue Technologien lokaler Unternehmen zum Einsatz.

Dass ein Baukastensystem mit vier Typen von Kurven, einer Geraden und Ein- sowie Ausfahrten sehr günstig und rasch aufgestellt ist, versteht sich von selbst. Allerdings wurde auch die Anzahl der dafür infrage kommenden Standorte deutlich größer: Die Moduleisbahn kommt bereits mit einem Gefälle von nur neun Prozent aus - das reicht im Normalfall nicht für traditionell errichtete Eiskanäle. Zudem lassen sich die Bausteine an nahezu jede Geländeform anpassen, tiefschürfende Eingriffe in die Natur sind also nicht nötig. Bei einer maximal realisierbaren Länge von 500 Metern - offizielle Wettkampfbahnen sind mindestens 1000 Meter lang - kommt eigentlich nur eine einzige Klasse, der Viererbob, nicht klar mit dieser Konstruktion. Für alle anderen Klassen - Ein- und Doppelsitzer, Skeleton und Zweierbob - bietet der Baukasten realistische Trainingsbedingungen.

Unterstützt wird das Technologiezentrum Ski- und Alpinsport durch die Tiroler Zukunftsstiftung im Rahmen eines K-Regio-Förderprgrammes. Dieses sieht grundsätzlich den nachhaltigen Auf- und Ausbau von Forschungsinfrastrukturen von lokalen, kooperativen Partnern vor. In diesem Sinn und in einem überregionalen Zusammenhang forscht das Technologiezentrum der Universität Innsbruck mit noch zwei weiteren Großprojekten im Interesse der Winter- und Sommersportindustrie: im Rahmen eines Projektkonsortiums für neue Sporttextilien und als sinnige Ergänzung zur Bobbahn, wie man meinen könnte, in einem europäischen Cluster für Verletzungsprävention, der aber tatsächlich auf den alpinen Skisport fokussiert. (saum/DER STANDARD, Printausgabe, 25.08.2010)