Direkter Demokratie lässt sich viel abgewinnen, aber die Initiative zur Wiedereinführung der Todesstrafe in der Schweiz zeigt ihre problematischen Seiten.

Die Initiatoren wollen Verbrecher, die sexuell missbraucht oder vergewaltigt und dann getötet haben, in der Todeszelle sehen. Sie begründen den Vorstoß mit einem "Kapitalverbrechen im persönlichen Umfeld" . Dem Täter den Tod zu wünschen, wenn so etwas im Familien- oder Freundeskreis geschieht, ist nachvollziehbar. Doch ein Grundprinzip des Rechtsstaates ist es, dass nicht auf Basis von Rachegelüsten geurteilt wird - sondern auf Grundlage des Rechts. Dass die Todesstrafe abgeschafft ist, gehört in Europa zu den wichtigsten Errungenschaften.

Todesstrafe oder nicht - diese Diskussion darf im Europa des 21. Jahrhunderts schlicht nicht mehr geführt werden. Um die wichtigsten Grundrechte zu wahren, muss es deshalb auch in einer direkten Demokratie Mechanismen geben, die solche Initiativen von vornherein ausschließen.

Das ist in der Schweiz nicht der Fall. Ob eine Initiative rechtlich zulässig ist, wird nach der Unterschriftensammlung geprüft. Obwohl diese gegen Protokolle der Menschenrechtskonvention verstößt, die Bern unterzeichnet hat, muss sie nicht für unzulässig erklärt werden, sagen Rechtsexperten. Dann würde sich das Parade-Argument der Kritiker direkter Demokratie erfüllen - die Schweiz stünde mehr als in der Minarett-Debatte am Pranger. (Julia Raabe/DER STANDARD, Printausgabe, 25.8.2010)