Tatsächlich, jemand aus dem politischen System, der Abgeordnete der ÖVP Franz-Josef Huainigg, verlangt nicht nur mehr Mittel für Pflege, sondern sagt auch dazu, dass man bei anderen Ausgaben etwas zurückhaltend sein muss. Er schlägt vor, Pensionen ein Jahr lang nicht anzupassen. Er ist nämlich der Meinung, dass man nur dann für Pflege mehr Mittel aufwenden kann, wenn man für andere Zwecke weniger aufwendet. Und er vermutet darüber hinaus, dass der Mangel bei der Pflege ein größeres soziales Problem ist als das Absinken des Lebensstandards der Pensionisten durch die Inflation des letzten Jahres.

Karl Blecha, Seniorensprecher der SPÖ, und Heinz R. Becker, Generalsekretär des ÖVP-Seniorenbundes, antworteten einmütig, wenn auch mit verteilten Rollen, im Standard (Kommentar der anderen, 20. 8.): Kusch! (Blecha, etwas zurückhaltend: "ihre Fragen über soziale Gerechtigkeit sind entbehrlich"; Becker, Huainiggs Parteifreund, etwas bestimmter: "Mit den Behindertenvertretern Svoboda und Voget wird in bestem Einvernehmen zusammengearbeitet [in der ÖVP, P. R.], aber Franz-Josef Huainigg schert aus ... Er soll keine derartigen offenen Briefe oder Kommentare mehr verfassen."). Sie bestreiten natürlich nicht, dass mehr für Pflege aufgewandt werden soll, aber doch nicht auf Kosten von anderen Gruppen, die Transfers vom Staat erhalten.

Das ist das System der Politik: Für jeden guten Zweck gibt es in jeder Partei Personen, die sich besonders für den betreffenden Zweck einsetzen. Sie machen auch im Namen ihrer Partei schwammige Zusagen. Aber dann kommt es üblicherweise ganz anders. Die Kommentare Blechas und Beckers sind Belege dafür. Für die Valorisierung des Pflegegeldes wird man sich einsetzen. Aber für die Pensionen gibt es sie schon im Gesetz. Daher müssen die Pflegegeldbezieher warten. Wie lange? Bis wieder Geld im Budget ist, aus dem nicht prompt eine Steuersenkung wie im Jahr 2008 finanziert wird, oder die Abschaffung der Studiengebühren. Haben die Seniorensprecher damals darauf hingewiesen, dass es dringendere soziale Probleme gibt? Für Pflege heißt es stets, bitte hinten anstellen. Huainigg war damit unzufrieden - zu Recht, weil es dafür keine sozialpolitische Begründung gibt. - Man darf aber nicht ungerecht sein. Die beiden Kommentatoren haben einen Vorschlag: Die Besteuerung der Vermögenszuwächse soll für die Pflege verwendet werden. Mir würde das gut gefallen. Blecha hat da noch mehr vor: Spekulationssteuer, Bankenabgabe und noch anderes aus der SPÖ- Wunschliste ans Christkind. Mir würde das alles gefallen - nur, es kommt nicht.

Und selbst, wenn das eine oder das andere kommt, etwa eine Vermögenszuwachssteuer, für welche Forderung nach höherer Finanzierung wurden diese Mehreinnahmen des Staates nicht schon reklamiert? Ausweitung der Forschung, Armutsbekämpfung, Ausbau des öffentlichen Verkehrs, Senkung der Einkommensteuer und natürlich Reduzierung des Budgetdefizits. Glauben Blecha und Becker, dass die Vermögenszuwachssteuer für all das reicht? Werden sie gegebenenfalls verlangen, diese sicher auch guten Dinge zurückzustellen, um das Pflegesystem auszubauen? Ihr bisheriges Verhalten lässt das nicht vermuten. (DER STANDARD-Printausgabe, 24.8.2010)