Die Lehrerinnen und Lehrer könnten doch ein paar Stunden mehr arbeiten. Oha. Ist denn noch immer Frühjahr 2009? Nein. Just die Sommerferien nutzte Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) - offenbar mit leichtem Hang zum politischen Masochismus -, um den Lehrer-Arbeitszeit-Luftballon noch einmal steigen zu lassen, der vor etwas mehr als einem Jahr bereits von Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) gestartet - und von der Lehrergewerkschaft zum Platzen gebracht wurde.

Was bezweckt Faymann damit? Warum noch einmal in einen Krieg ziehen, den die Regierung schon einmal verloren hat, weil sie lieber die eigene Ministerin düpierte anstatt die Gewerkschaft zu vergrätzen? Tut er's, weil's das Publikum so gern sieht, wenn mit dem politischen Dreschflegel auf die Lehrer/-innen losgegangen wird, zumal, wenn die gerade ihre neun Wochen Ferien abarbeiten? Die Freude dürfte jedenfalls nur kurz währen. Denn die Lehrergewerkschaft reagiert auf derartige Ansinnen zuverlässig allergisch - so auch dieses Mal, Faymanns Parteigenossen allen voran.

Wenn es als Entlastungsmanöver für seine Parteikollegin, die durch die schier unendliche Gier der Landeshauptleute, die sich jetzt auch die Landeslehrer krallen wollen, schon wieder extrem unter Druck ist, gedacht war, dann muss man sagen: Politisches Geschick sieht anders aus.

Denn das, was Faymann verkürzt und plakativ formuliert, wird ohnehin Thema bei der Totalreform des Lehrerdienst- und Besoldungsrechts sein - aber sicher nicht das einzige. Daher ist der Schaden jetzt in jedem Fall größer als die vielleicht beabsichtigte Hilfe für Schmied.

Natürlich (oder hoffentlich) wird am Ende der Verhandlungen über ein modernes Dienstrecht für die Pädagogen auch eine intelligentere, transparentere Arbeitszeitregelung stehen als derzeit. Die absurd anmutenden Stunden-Töpfe (Topf A: Unterricht, Aufsicht; Topf B: Vor-, Nachbereitung, Korrektur; Topf C: Sprechtage, Reflexion, Fortbildung) etwa, aus denen Pflichtschullehrer ihren "Jahreszielwert" von 1776 Stunden (das ist übrigens ungefähr so viel oder so wenig wie im ASVG für unselbstständige Erwerbstätige) zusammenköcheln müssen, werden hoffentlich endgültig vom Schul-Herd genommen. Die im internationalen Vergleich extrem steil ansteigende Lehrergehaltskurve wird künftig wohl am Berufsbeginn etwas höher starten und flacher weiterlaufen, und es wird Karriereperspektiven für Lehrer geben müssen.

Die Lehrer werden in Zukunft zwangsläufig länger an ihrem Arbeitsplatz sein - und sich so auch die leidige Diskussion um die vermeintlichen Minderleister der Nation, die so schnell wie möglich ins kuschelige Arbeitszimmer daheim flüchten müssen, ersparen. Der Arbeitsplatz der Lehrer ist nun mal die Schule, und die ist mehr als bloß die amtlich beglaubigte Unterrichtszone. Sie wird dafür aber auch anders aussehen müssen, um ein adäquater Arbeitsplatz zu sein.

Das alles setzt voraus, dass endlich bildungspolitische Inhalte diskutiert und nicht nur krude Machtfantasien ventiliert werden. Eine andere Schule, und es besteht kein Zweifel, dass sie nötig ist, wird auch andere Lehrer brauchen. Aber vielleicht war Faymanns rhetorische Provokation in Sachen Lehrerarbeitszeit ja als paradoxe Intervention gedacht, als Funke, der die große Schulreform befeuern sollte.

Dann müsste man fast sagen: Hurra, die Schule brennt! Endlich. (Lisa Nimmervoll/DER STANDARD-Printausgabe, 24.8.2010)