Operettenfestspiele Mörbisch. Reihe 34. Sitze 15, 16 und 17. Die Reißerische, der Graf Foto und ich. Vor uns buhlt eine junge Frau in Männerkleidern um die Gunst des feschen Zarewitsch. Der Minister intrigiert. Dazwischen wechselt die Welt vor uns zwischen Russland und Venedig. Und regelmäßig singt da jemand "auf dem schönsten Trialgelände, das es am ganzen See gibt."

Foto: Wolf-Dieter Grabner

Traust dich nie, sagt der Graf. Das war der Startschuss. Und auch wenn ich angeblich lautstark mitgesungen habe, kann ich mich jetzt gar nicht mehr erinnern, ob der Zarewitsch jetzt geheiratet hat, der Minister sich das Leben nahm, oder alle zusammen mit Trials und Crossern in den Neusiedler See sprangen.

Foto: Wolf-Dieter Grabner

Ich war im Kopf schon ganz bei Dietmar Posteiner, dem kaufmännischen Direktor der Seefestspiele Mörbisch. Wie sollte ich ihm erklären, dass das, was dem Herrn Serafin eine Bühne ist, in Echt ein Trainingsgelände für Offroader ist? Ganz einfach: Dietmar Posteiner ist selbst so benzindeppert, dass er mit einem Motorrad nicht das Auslangen findet.

Foto: Wolf-Dieter Grabner

Aber Trial hat er keine – auch wenn er schon fest mit einer trainiert hat. Also stell ich ihm einfach eine hin und nehm auch noch die WR mit. Wir werden schon sehen, ob er widerstehen kann. Er kann nicht. Und nicht einmal um das Bühnenbild sorgt er sich: "Da schau, was da für Träger drinnen sind. Das haltet locker."

Foto: Wolf-Dieter Grabner

Was wir nicht bedacht haben – wenn der Herr Posteiner heute mit dem Auto anreist, wird er keinen Helm dabeihaben. Und bei dem Kartenverkauf braucht er sich auch nicht vor irgendwelchen Sitzungen fürchten.

Foto: Wolf-Dieter Grabner

Nur logisch, dass er den Testritt verschiebt: "Treffen wir uns wieder, wenn ich einen Helm habe. Am besten nach den Festspielen, weil diese Woche haben wir noch volles Programm, und da schaut das auch nichts zugleich, wenn ich ohne Zähne, dafür mit einem Loch im Kopf die Gäste begrüße. Spiel allein, ich setz mich inzwischen ins Bernsteinzimmer."

Foto: Wolf-Dieter Grabner

Bernsteinzimmer klingt verdammt nach einer gehobenen Mopedgarage. Vor allem ist es so schön gearbeitet, dass es gar nicht wie eine Kulisse aussieht. Und es ist schade, dass das Publikum nie so nahe herankommen wird, dass es die zahlreichen Details erkennen kann. Aber viel Trainingsmöglichkeiten gibt es da nicht. Trotzdem reißt der Dietmar gleich die WR an. Irgendwas sagt er von Akrapovic und neuem Leben in der Kulisse, aber ganz genau kann ich ihn bei dem Wirbel nicht verstehen.

Foto: Wolf-Dieter Grabner

"Wenn ich einen Helm da hätte, würd ich dir ja die Trial da hinten bei den Zwiebeltürmen auf die Stufen stellen, dann kannst oben ein wenig posen", sagt der Dietmar "wurscht, heben wir sie halt rauf." Was? Der Dietmar fahrt da rauf? Das lass ich nicht auf mir sitzen, reiß die Gas Gas an und ruf der Reißerischen noch einmal zu, wo sie die Lebensversicherungs-Polizzen findet.

Foto: Wolf-Dieter Grabner

Die findet aber grad, dass sie einen recht lässigen Sprung gefunden hat: "Ein kleiner Happer für einen echten Trialisten, eine Chance, die Versicherung zu kassieren, für mich." Auf die Stahlseile, die die Kulissen stützen und mich den Kopf kosten könnten, weist sie mich sicherheitshalber nicht hin. Nur der Graf Foto ist noch mutiger und legt sich mit der Kamera so hin, dass ich über ihn drüberspringen muss. Wer Begünstigter seiner Lebensversicherung ist, weiß ich aber nicht.

Foto: Wolf-Dieter Grabner

Ob der Graf um sein Leben bangt, bekomme ich nicht mit, weil mich die Reißerische gleich von der Gas Gas reißt. Nicht weil sie um mein Leben fürchtet, sondern weil ich in den letzten Jahren nicht nur an Erfahrung gewonnen habe:

Foto: Wolf-Dieter Grabner

"Bei deinem Gewicht schlagt der Hinterreifen bis auf die Felge durch. Dass du in den nächsten zehn Sekunden zwanzig Kilo abnimmst ist unwahrscheinlicher, als dass du sie zunimmst, also hör auf mit der Springerei." Hinter der Seebühne stauen sich inzwischen Tret- und Segelboote, die sich neugierig, aber vorsichtig nähern.

Foto: Wolf-Dieter Grabner

Der Graf hat eine Idee: "Du könntest ja auch über die Stiegen da rauf fetzen." Und während ich umdrehe, um Anlauf zu nehmen, merke ich im Augenwinkel, wie Dietmar den Grafen drauf hinweist, dass hinter den Stufen nur ein kurzes Podest ist und danach die Kulissen anfangen. Er hat Angst, ich könnte es nicht dabremsen und würde durch die Kulisse brechen. Ein Vögelchen hat mir aber gezwitschert, dass der Wolf dann prüfend auf die Kulisse geklopft haben soll und das ganze kommentierte mit: "Das ist ziemlich massiv. Da kommt er nie durch. Und die Blutspritzer vom Einschlag sieht man aus der ersten Reihe nie."

Foto: Wolf-Dieter Grabner

So gewarnt bin ich oben natürlich voll in die Eisen. Da hat aber die Reißerische gesehen, dass mein ganzes Gewicht jetzt am Vorderreifen ruht, und aus war es mit der Herrlichkeit. Sie hat mir die Gas Gas einfach weggenommen. Dem Dietmar hat es inzwischen auch gereicht, und er ist lieber arbeiten gegangen. Das war aber eh gut. Weil nachdem ich mit der WR ein bisserl flott über die Zuschauertribüne gefahren bin, hab ich es auf der Nirosta-Plattform nimmer dabremst und bin auf der Hinterseite wieder über die Stiege runter. Das Problem: Die Stufen sind wirklich steil. Gut, dass die misslungenen Anläufe wieder ins Freie zu kommen keiner gesehen hat.

Foto: Wolf-Dieter Grabner

Denn was sagt man am Abend, wenn die Festspielgäste kommen und man samt Hard-Enduro auf der Zugangsstiege festhängt? "Für Sie mag ich mit meinem Angstschweiß unangenehm riechen, aber den Gelsen taugt es noch viel weniger, und Sie werden den ganzen Abend Ruhe vor ihnen haben?

Informationen und Links:

Die Seefestspiele Mörbisch finden heuer noch bis 29. August statt. Gespielt wird der Zarewitsch, nächstes Jahr der Zigeunerbaron.

Seefestspiele Mörbisch
Wolf-Dieter "Graf Foto" Grabner

Foto: Wolf-Dieter Grabner