Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: AP/Abrams

Stanley Druckenmiller, ein legendärer Fondsmanager, der einst mit George Soros gegen den britischen Pfund spekuliert hat, zieht sich aus dem Fondsgeschäft zurück. Seine Begründung: Angesichts der wachsenden Unsicherheit über die wirtschaftliche Entwicklung weiß er nicht mehr, wie er für seine Investoren Geld verdienen soll.

Das ist überraschend, denn gerade unsichere Zeiten bieten geschickten Investoren viel Gelegenheit für große Gewinne. Aber Druckenmillers Ratlosigkeit ist symptomatisch für die Stimmung unter Analysten und Ökonomen. So weit sich die meisten zurückerinnern können, war die Lage nicht so unsicher wie heute.

Ökonomen müssen deshalb ihre Lehrstühle nicht auf, schließlich verlieren sie kein Geld, wenn sie mit ihren Prognosen falsch liegen. Und viele von ihnen beteiligen sich mit Verve an der laufenden Debatte über die richtigen Weichenstellungen in der Wirtschaftspolitik: Sollen die Regierungen jetzt zu sparen beginnen, um die Staatsdefizite einzudämmen, oder würgen sie damit den gerade erst begonnenen Aufschwung ab?

Wer seit Monaten den verschiedenen Stellungnahmen diesseits und jenseits des Atlantiks zuhört, kann nur zu einem Schluss kommen: Niemand kennt die richtige Antwort.

Die Nationalökonomie wird damit ihrem Ruf, eine „trostlose Wissenschaft“ zu sein, gerecht, denn Wissenschafter streben grundsätzlich nach Antworten. Interessant daran ist, dass die Ökonomie schon mehrmals durch solche Phasen gegangen ist, die dann wieder von Zeiten abgelöst wurden, als die ökonomische Zunft selbstbewusst klare Antworten und Empfehlungen verkündete.

Vor 1930 waren sich die meisten Ökonomen einig, dass man dem freien Markt die Regulierung der Volkswirtschaft überlassen kann. Doch der Glaube an das unbedingte „Laissez-faire“ wurde durch die Weltwirtschaftskrise zerstört.

Nach 1945 wurden fast alle Volkswirte überzeugte Keynesianer. Sie glaubten an die Phillips-Kurve, die besagte, dass sich Staaten frei zwischen mehr Inflation und mehr Arbeitslosigkeit entscheiden können. Das gab Regierungen eine Art Speisekarte in die Hand, um ihre politischen Präferenzen mithilfe ihrer Budget- und Geldpolitik umzusetzen – wenn sie sich nur gut von Ökonomen beraten ließen.

Aber auch diese Phase des ökonomischen „Yes, we can“-Optimisismus kam zu einem bitteren Ende – durch die Stagflation als Folge des Ölschocks, der mehr Inflation und mehr Arbeitslosigkeit brachte. Alles, was den Staaten vom keynesianistischen Schlaraffenland blieb, waren höhere Schulden.

In den neunziger Jahren bracht die nächste Ära der ökonomischen Gewissheit an. Neue Technologien, die Globalisierung und Just-in-Time-Logistik hätten den Konjukturzyklus gebändigt. Mithilfe von klaren Inflationszielen könnten Zentralbanken für nicht-inflationäres Wachstum sorgen und Rezessionen entweder überhaupt vermeiden oder durch Zinssenkungen rasch gegensteuern.

Alan Greenspan, der „Maestro“ der Fed, war die Symbolfigur für diese Ära des grenzenlosen Selbstbewusstseins. Wohin diese Politik führte, hat die Welt in den vergangenen zwei Jahren bitter erleben müssen.

Und nun weiß niemand weiter. Ausgeben oder sparen – die Meinungen gehen quer durcheinander, und jedem guten Argument steht ein ebenso gutes entgegen. Was immer nun geschieht, wird sich erst im Nachhinein als richtig oder falsch erweisen.

Aber die neue Ära des Unwissens sollte uns nicht unbedingt Sorgen machen. Vergessen wir nicht: Die großen Krisen sind alle dann ausgebrochen, als sich die Nationalökonomie sicher war, dass sie die richtigen Antworten kennt. Intellektueller Hochmut ist gefährlicher als Ratlosigkeit.