Am vergangenen Samstag, dem 14. August, wurden die beiden Seniorenratspräsidenten Andreas Khol und Karl Blecha im Ö1-Mittagsjournal zu meinem Vorschlag nach einem Teilverzicht auf die Pensionserhöhung 2010 zugunsten eines Pflegefonds für ältere pflegebedürftige Menschen befragt. Khol warf mir dabei vor, dass ich mit meiner Forderung nach einem Verzicht auf Pensionserhöhung bei höheren Pensionen "in den Sack der anderen greife" .

Aus zwei Gründen ist dies falsch: Zum einen bin ich ÖVP-Behindertensprecher aller behinderten Menschen - von jungen genauso wie von älteren pflegebedürftigen Menschen. Und Pflege- und Betreuungsbedürftigkeit ist überwiegend ein Altersproblem. 90 Prozent der Bundespflegegeldbezieher sind über 60 Jahre alt. Knapp jeder sechste Pensionist ist pflegebedürftig. Zum anderen geht es bei meinem Vorschlag nicht um eine Umverteilung zulasten der Pensionisten, sondern um eine Umverteilung hin zu jenen Pensionisten, die in besonderer Weise auf Unterstützung angewiesen sind!

Blecha behauptete, dass ich mit meiner Forderung die Wertsicherung der Pensionen infrage stelle. Dazu ist zu sagen: Die Pensionskassen sind leer. Wie ist es zu rechtfertigen, dass in Zeiten der absoluten Budgetknappheit Mittel aus den allgemeinen Steuergeldern verwendet werden, um hohe Pensionen wertzusichern, während für pflegebedürftige Pensionisten keine Mittel mehr da sind, um ihnen eine würdevolle und gute Betreuung zu finanzieren? Es rüttelt am Solidaritätsverständnis der Sozialdemokratie ebenso wie an jenem der christlichen Soziallehre, Steuergelder jenen vorzuenthalten, die in besonderer Weise auf die Hilfe der Allgemeinheit angewiesen sind. Der von mir geforderte Teilverzicht ist ein kleiner Schritt für Pensionisten, aber ein ganz großer Schritt für das österreichische Pflegesystem.

Mein Vorschlag im Detail: Im Pflegebereich besteht dringender Handlungsbedarf. Ein Pflegefonds ist einzurichten, der die Lücken im Pflegebereich schließt. Unter anderem sollen ambulante Dienste ausgebaut werden, Tagesstrukturen entstehen, gezielte Angebote für demenzerkrankte Menschen entwickelt, pflegende Angehörige unterstützt und entlastet werden usw.

Angesichts der hohen Staatsverschuldung, der Arbeitslosigkeit und der Konjunktursituation, fordere ich einen Teilverzicht der Pensionserhöhung 2011 zugunsten der Gründung eines Pflegefonds, der vor allem älteren pflegebedürftigen Menschen zugute kommt. Pensionen bis zu 1300 Euro sollen entsprechend der Inflation erhöht werden. Hohe Pensionen sollen im Sinne eines Solidarbeitrags für pflegebedürftige Pensionisten 2011 nicht erhöht werden. Mit den eingesparten Steuermitteln (für das Jahr 2010 waren dies rund 400 Millionen Euro) soll im Sozialministerium ein bundesweiter Pflegefonds eingerichtet werden. Zur nachhaltigen Finanzierung der Leistungen aus dem Bundespflegefonds soll dann ein Solidarbeitrag bei höheren Pensionen eingeführt werden.

Ich richte daher folgende Fragen an die beiden Pensionistenvertreter:

  • Ist es sozial gerecht, höhere Pensionen zu valorisieren, während das Pflegegeld ständig an Wert verliert und pflegebedürftige alte Menschen beispielsweise eine Magensonde bekommen, weil kein Geld für Personal zur Verabreichung der Nahrung da ist?
  • Ist es sozial gerecht, pflegende Angehörige im Stich zu lassen, da Mittel für den unbedingt notwendigen Ausbau der mobilen Dienste fehlen, während den Vertretern der Senioren der Pensionistenpreisindex wichtiger ist?

Nachdem sich die Präsidenten Andreas Khol und Karl Blecha selbst als die Köpfe des österreichischen Bundesadlers bezeichnen, sei mir folgende Frage auch noch erlaubt: Der Adlerblick ist dafür bekannt, dass er nur ein Detail scharf fokussiert. Wo bleibt da der Blick für das Wohl der Allgemeinheit oder, besser gesagt, die Verantwortung für das Gesamte? (Franz-Joseph Huainigg, DER STANDARD, Printausgabe, 19.8.2010)