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Beschlagnahmtes Heroin: Nis liegt auf der Drogenroute zwischen Asien und Westeuropa. In Nis ist das Heroin viel billiger als hierzulande.

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"Willkommen in der Stadt der Elektronik", steht auf dem Schild bei der Einfahrt von Nis, das an die alten guten Zeiten erinnert. Irgendjemand hat einen neuen, heute zutreffenderen Gruß auf das Schild geschrieben: "Willkommen im Hungertal".

Vom Hunger bekommt man zunächst nichts zu spüren. Nis ist für seine Gasthäuser mit Grillspezialitäten berühmt. Die Cevapi, Pljeskavica oder Raznjici und Wurst sind schlicht spektakulär. So sind auch die Preise. Eine Portion kostet umgerechnet um die 3,90 Euro, ein Pflaumen- oder Quittenschnaps 0,90 Euro, eine Kaffee 0,60 Euro. Doch die meisten Nis lije können sich auch das nicht leisten. Das Durchschnittseinkommen beträgt 280 Euro. Außerhalb des Stadtkerns stößt man auf Elend, herabgekommene Wohnsiedlungen, verlassene Fabrikhallen.

Mit seiner Elektronik-, Maschinen- und Textilindustrie war die Stadt im Süden Serbiens mit rund 250.000 Einwohnern vor vierzig Jahren ein blühendes Wirtschaftszentrum. Durch die Kriege und das internationale Embargo in den 1990er-Jahren und die misslungene Privatisierung der öffentlichen Betriebe ist die Industrie aber hinter der technologischen Entwicklung zurückgeblieben. In Nis gibt es 40.000 Arbeitslose, jeder Vierte hat keinen Job.

Auch der bekannte Kurort mit dem Thermalwasser ist völlig verfallen. Der einzige große Konzern in Nis ist Philip Morris, der 2003 das einheimische Tabakunternehmen gekauft hat und 1150 Menschen beschäftigt. "Nis ist ein Ebenbild der Depression geworden", sagt die Anwältin Sanja Blagojevic. Die heute Vierzigjährige erinnert sich noch an die Zeiten, als die Stadt für seine Rock-'n'-Roll-Szene bekannt war.

Heute kennt man die Stadt eher aufgrund ihrer Drogenszene. Nis lag schon immer auf der Schmuggelroute zwischen dem Nahen Osten und Europa. Doch so billig und einfach konnte man hier noch nie Drogen kaufen. Ein Gramm Heroin kostet auf der Straße zwischen zehn und zwölf Euro, in Österreich zahlt man für den Stoff zwischen 30 und 45 Euro. Manche Kinder beginnen schon in der Volksschule zu kiffen, einen Joint kriegt man schon für einen Euro.

Dealer und Junkies

"Man weiß genau, wo die Dealer sind", sagt ein Insider. Viele seien selbst Junkies oder Typen, die kleine Mengen schmuggeln, um über die Runden zu kommen. Wenn die Polizei einen verhafte, tauchten zehn neue auf. Mit einem Slogan 'Kommt nach Nis, die Geburtsstadt von Konstantin dem Großen, mit billigem Heroin und Cevapi' könnte man Touristen anlocken, scherzt der Mann und wird dann gleich ernst. Seine zwei Kinder kommen bald ins Schulalter, und er würde alles tun, damit sie nicht in dieser Stadt groß werden. (Andrej Ivanji aus Nis/DER STANDARD, Printausgabe, 19.8.2010)