Renate Brauner findet die "Wiener-Blut"-Sujets der FPÖ zum Schämen: "Falco dreht sich sicher im Grab um."

derStandard.at/Winkler-Hermaden

Die Schulden der Stadt Wien belasten Brauner nicht: "Wir sind Lichtjahre entfernt von den Summen auf Bundesebene oder in anderen Bundesländern."

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Dass die SPÖ auch dieses Mal wieder die absolute Mehrheit erreicht, ist für Brauner noch nicht gegessen.

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Eine Fahrpeis-Erhöhung der Wiener Linien wird es aufgrund der 24-Stunden-U-Bahn nicht geben, verspricht Brauner.

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"Wenn du mit dem Plan B in die Wahlauseinandersetzung gehst, hast du schon verloren", sagt Renate Brauner, Finanzstadträtin in Wien. Sie kämpft für eine absolute Mehrheit der SPÖ und will sich deshalb über mögliche Koalitionsvarianten nicht den Kopf zerbrechen. Warum sie von den neuen Strache-Plakaten schockiert war, sich die Stadt Wien mit der neuen Nacht-U-Bahn international sehen lassen kann, und wieso es ein "Schwachsinn" ist, dass man es in der Wiener SPÖ leichter hat, wenn man mit jemandem verwandt ist, sagt sie im Interview mit derStandard.at.

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derStandard.at: Die Wiener wünschen sich laut einer STANDARD-Umfrage, dass Probleme gelöst werden, die es in Wien mit Ausländern gibt. Warum hat es die SPÖ bisher nicht geschafft, diese Probleme in den Griff zu bekommen?

Brauner: In dieser Umfrage stehen viele Dinge drinnen. Das Thema Integration ist nur eines davon. Ich glaube, dass man nicht das Spiel des Herrn Strache spielen sollte, in dem man sich immer nur darauf konzentriert. Das wäre eine Unterstützung seiner Politik.

Es ist natürlich so, dass das Thema Migration und Zuwanderung in Wien ein wichtiges ist, wie in allen anderen Metropolen. Ich glaube, dass wir zum Thema "Zusammenleben in der Stadt" - denn das steht ja über allem drüber - eine sehr gute Linie gefunden haben, indem wir sagen: Es gibt in Wien eine Hausordnung mit Respekt und Rücksichtnahme. An die haben sich alle zu halten.

derStandard.at: Wo sehen Sie die Probleme?

Brauner: Wir kiefeln immer noch an Maßnahmen, die unter Schwarz-Blau gesetzt wurden. Unser Hauptproblem bei der Berufsausbildung von jungen Menschen liegt nicht bei den ganz Jungen, sondern bei denen, die jetzt um die 20 Jahre alt sind. Das sind genau die Kids, die darunter zu leiden haben, dass unter Schwarz-Blau die Begleitlehrer und die Überbetriebliche Lehrausbildung, die Lehrlingsstiftungen gestrichen wurden.

derStandard.at: Es gibt einen, der sich darüber freut, dass es hier nach wie vor Konfliktstoff gibt: Heinz-Christian Strache. Die FPÖ hat jetzt neue Plakate aufgehängt, die für Aufregung sorgen. Wie soll die SPÖ dagegen auftreten?

Brauner: Die SPÖ tritt dagegen auf und zwar sehr klar und deutlich. Wir haben natürlich befürchtet, dass der Wahlkampf schlimm und tief werden wird. Geprägt von diesem Hass und Gegeneinander, für das der Herr Strache steht. Trotzdem ist man schockiert, wenn man so etwas sieht. Es wird behauptet, der Begriff komme von der Wiener Operette. Es sind aber genau diese Zweideutigkeiten und Botschaften, die mies sind. "Wiener Blut" allein als Operettentitel ist das eine. Aber in Verbindung mit: "Zu viel Fremdes tut niemandem gut" - da braucht man sich nicht ausreden auf den armen Falco. Der dreht sich im Grab um und rotiert. Die Botschaft ist eindeutig, und da kann man nur sagen: Schämen Sie sich, Herr Strache.

Die einzigen, die gegen Strache auftreten, sind im Übrigen wir. Die ÖVP schließt eine Koalition mit diesem Herrn nicht aus und die Grünen sind leider, und das meine ich wirklich aus tiefem Herzen, mit etwas anderem beschäftigt, nämlich mit sich selbst. Wir müssen mit den Leuten diskutieren, die Angst und Vorurteile haben, aber auch mit jenen, die reale Probleme haben. Ich sage das deswegen so deutlich, weil es oft heißt: die Leute sind so blöd und fürchten sich. Es gibt schon auch reale Bedrohungsszenarien. Die haben aber nichts mit den Individuen zu tun, die hier zuwandern. Sie sind fleißig und suchen auch ein besseres Leben. Deswegen sage ich: man muss draußen sein und mit den Leuten reden: in Ottakring, am Viktor-Adler-Markt.

derStandard.at: Wird man Sie auch am Viktor-Adler-Markt antreffen?

Brauner: Selbstverständlich. Ich war letzten Freitag am Naschmarkt, zur Bewerbung unseres Weiterbildungstausenders.

derStandard.at: Die Wiener wollen Probleme im öffentlichen Verkehr gelöst wissen. Rechtzeitig vor der Wien-Wahl starten Sie jetzt mit der Wiener Nacht-U-Bahn. Ist es das, was die WählerInnen meinen?

Brauner: Die Nacht-U-Bahn alleine ist ja nicht das gesamte verkehrspolitische Konzept. Eines meinen die Leute ganz sicher - und wir auch: absoluter Vorrang für die Öffis. Da gehört natürlich die 24-Stunden-U-Bahn dazu. Wir können uns international sehen lassen. Wir haben denselben Ticketpreis wie unter normalen Umständen und der ist unter den drei Städten - neben Wien gibt es in Stockholm und Hamburg Nacht-U-Bahnen - bei weitem der günstigste. Zusätzlich haben wir die besten Intervalle, nämlich 15 Minuten.

derStandard.at: Die Nacht-U-Bahn kostet 5 Millionen Euro. Wird das früher oder später bedeuten, dass es höhere Ticketpreise geben wird?

Brauner: Ich habe ganz klar gesagt, dass die 24-Stunden-U-Bahn aus den Mitteln der Stadt Wien finanziert wird. Das sind im Endeffekt auch Steuermittel, das muss man den Leuten natürlich auch sagen. Aber aus diesem Grund - das kann ich garantieren - werden die Fahrpreise sicher nicht erhöht. Ich kann das natürlich nicht auf immer und ewig versprechen - dieser Typ von Politiker bin ich nicht - aber sicher nicht in absehbarer Zeit.

derStandard.at: Die ÖVP will fixe Schranken bei den U-Bahn-Stationen einführen. Wäre das eine Möglichkeit, um weniger Schwarzfahrer zu haben?

Brauner: Es gibt sicher Schwarzfahrer, aber ob sie diese Millionen-Investitionen rechtfertigen, wage ich extrem zu bezweifeln. Außerdem wäre das für die Behindertengerechtigkeit, in die wir viel Geld investieren, kontraproduktiv. Es gibt auch ein politisches Argument: Es stimmt überhaupt nicht, dass es viele Schwarzfahrer gibt. Natürlich gibt es sie, aber verschwindend wenige. Wenn die ÖVP der Meinung ist, dass die Wiener ein Volk voller Betrüger sind, bitte. Ich bin das nicht.

derStandard.at: Wann wird es endlich in allen U-Bahnen eine Klimaanlage geben?

Brauner: Wir sind dabei, Schritt für Schritt auf neue Wägen umzurüsten, aber wir werden natürlich die alten funktionierenden Wägen, gerade in Zeiten, wo man sparen muss, nicht wegschmeißen. Ich stehe nicht an zu sagen: jawohl, es stimmt, ich stehe auch manchmal in der U-Bahn und schwitze. Wir hatten vor nicht allzu langer Zeit den Nahverkehrs-Kongress hier in Wien. Da bin ich gefragt worden, was die häufigsten Beschwerden sind. Als ich erzählt habe, dass eine der häufigsten ist, dass nicht alle U-Bahnen Klimaanlagen haben, haben mich viele Augen sehr neidvoll angesehen. Ich verstehe den Wunsch, wir sind auch dabei ihm nachzukommen, aber es ist schon eine Diskussion auf einem sehr hohen Qualitätsniveau.

derStandard.at: Hat sich die Wiener SPÖ eigentlich schon bei der Regierung dafür bedankt, dass die Budget-Pläne erst nach der Wien-Wahl präsentiert werden?

Brauner: Nein, da sehe ich auch überhaupt keine Veranlassung dazu. Dass die Verschiebung mit den Wahlen zu tun hat, glaube ich nicht. Die Wirtschaftskrise hat sich wirklich nicht nach der Wiener Wahl gerichtet, das würde unseren Einfluss doch ein wenig überschätzen. Aber die Budgeterstellung des nächsten Jahres wird sicher ein äußerst schwieriges Thema. Vor allem auch darum, weil wenn es enger wird, auch grundsätzliche Unterschiede mehr zu tragen kommen. Es gibt diametral unterschiedliche Positionen. Stichwort Massenbelastung versus Reichensteuer. Das sind die Themen, die ausdiskutiert werden müssen und dass man dafür Zeit braucht, verstehe ich.

derStandard.at: Wie soll die Lösung ausschauen?

Brauner: Die SPÖ hat einige Vorschläge auf den Tisch gelegt, die man jetzt sehr salopp mit dem Überbegriff Reichenbesteuerung subsumieren kann, aber das ist viel zu undifferenziert. Es gibt viel differenziertere Vorschläge: die Bankenabgabe, die Vermögenszuwachssteuer oder Änderungen bei der Stiftungsbesteuerung.
Bei den Vorschlägen, die von der ÖVP gekommen sind, geht es um die Massenbesteuerung - auch wenn man ihr ein umweltfreundliches Mäntelchen gegeben hat. Das darf aber nicht sein, weil die großen Massen sind durch die Wirtschaftskrise schon entsprechend belastet worden. Durch die Arbeitslosigkeit, durch die ganzen Konjunkturpakete, die aus Steuermitteln geschnürt werden mussten, durch die Bankenrettungspakete. Es kann nicht sein, dass die Auszubildenden und die Arbeitnehmer noch einmal belastet werden.

derStandard.at: Jetzt wurde aber berichtet, dass Faymann nicht unbedingt auf Vermögenssteuern beharrt.

Brauner: Das ist seitens des Bundeskanzlers überhaupt kein Thema, die Vermögenszuwachssteuer soll kommen. Das hat er überall gesagt und dazu steht er auch. Da gibt es keine unterschiedlichen Meinungen.

derStandard.at: Beim Wiener Rechnungsabschluss im Juni haben Sie betont "Wiens Finanzen sind solide". Sie haben auf die bundesweite Pro-Kopf-Verschuldung von 22.200 Euro verwiesen, in Wien liege dieser Wert bei nur 1.100 Euro. Im nächsten Jahr wird es nicht so rosig aussehen.

Brauner: Wir haben eine sehr gute Situation, müssen uns aber jetzt durch die Finanzsituation und die auch für uns sinkenden Einnahmen aufgrund der Wirtschaftskrise entsprechend neu verschulden und Fremdmittel aufnehmen. Aber das ist in keinster Weise dramatisch, weil wir in der Vergangenheit so gut gewirtschaftet haben. Wir haben bis zum Jahr 2007 immer Schulden abgebaut.

derStandard.at: Wie hoch wird die Pro-Kopf-Verschuldung beim nächsten Rechnungsabschluss sein?

Brauner: Das lässt sich jetzt noch nicht feststellen, aber wir gehen davon aus, dass wir eine ähnliche Verschuldung auch nächstes Jahr wieder haben werden. Es werden dann pro Nase 200 bis 300 Euro dazukommen. Aber damit sind wir Lichtjahre entfernt von den Summen, die wir auf Bundesebene oder in manchen anderen Bundesländern haben.

derStandard.at: Auf der Landesliste der Wiener SPÖ fällt auf, dass mehrere Bezirksvorsitzende offenbar ihre Söhne oder Töchter "hineinreklamiert" haben, beispielsweise jene der Bezirke 1 und 13. Der Sohn des Bürgermeisters kandidiert auf Bezirksebene. Was wirft das für ein Licht auf die Partei, wenn Söhne und Töchter ohne viel politische Erfahrung auf den Listen aufscheinen?

Brauner: Das möchte ich mit aller Entschiedenheit zurückweisen. Und ich möchte mich auch sehr dagegen verwehren, dass man Leuten, nur weil sie jung sind, abspricht, dass sie politisch aktiv sind, und weil sie einen Namen tragen, dass sie politisch eigene Ideen haben. Ich habe Bernhard Häupl jetzt einige Male miterlebt. Er hackelt, er arbeitet, er tut, und ist schon viele Jahre aktiv. Auf die SPÖ werfen diese jungen Kandidaten ein weit besseres Licht, als wenn wir Söhne und Töchter hätten, die sagen, "mit der Arbeit von denen will ich nichts zu tun haben".

derStandard.at: Also stimmt es nicht, dass man es in der Wiener SPÖ leichter hat, wenn man verwandt ist?

Brauner: Das einzige Wort, das mir dazu einfällt ist: Schwachsinn.

derStandard.at: Kommen wir zum Tag nach der Wahl. Ihnen wird nachgesagt, dass sie mit der ÖVP besser können als mit den Grünen. Sie gehen aber wahrscheinlich davon aus, dass es wieder eine Absolute Mehrheit für die SPÖ geben wird.

Brauner: Ich gehe nicht davon aus. Ich glaube, dass wir gute Chancen haben, aber es wird sicher nicht einfach werden. Wir werden mit aller Kraft dafür kämpfen.

derStandard.at: Was, wenn Sie die Absolute nicht schaffen?

Brauner: Es gibt keinen Plan B. Wenn du mit dem Plan B in die Wahlauseinandersetzung gehst, hast du schon verloren. Ich bin eher der kampfwillige Typ.

derStandard.at: Werden Sie Wiens erste Bürgermeisterin sein?

Brauner: Das Thema stellt sich nicht, wir haben einen super Bürgermeister, den wir mit vollem Herzen unterstützen. Wir haben 50 Prozent Frauen in der Regierung.

derStandard.at: Aber eine Bürgermeisterin - das wäre ein schönes i-Tüpfelchen, wenn sie die Frauenpolitik der Stadt Wien jetzt angepriesen haben.

Brauner: Es wird sicher einmal eine Bürgermeisterin geben, überhaupt keine Frage. Aber das Thema stellt sich jetzt nicht, weil wir einen supertollen Bürgermeister haben und hoffentlich auch noch lange haben werden.

derStandard.at: Aber wären Sie gerne die erste Bürgermeisterin?

Brauner: Wenn sich das Thema nicht stellt, ist das eine Was-wäre-wenn-Frage.

derStandard.at: Aber Sie haben sicher schon darüber nachgedacht?

Brauner: Ich werde sehr oft danach gefragt. Viel häufiger, als ich selber darüber nachdenke. (Teresa Eder, Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 20.8.2010)