Bianca Jagger will, das Öl-, Gas- und Chemie-Multis für Umweltverbrechen nicht ungestraft bleiben. Ihre Chefs sollen vor den Internationalen Strafgerichtshof, fordert sie.

Foto: Markus Peherstorfer

Salzburg - Wenn es nach Bianca Jagger ginge, müsste die Chefetage von BP bald geschlossen vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag aufmarschieren. Denn der von dem britischen Mineralölkonzern verschuldete Ölteppich im Golf von Mexiko wird noch jahrzehntelang die Ökosysteme der Region beeinträchtigen - aus der Sicht von Jagger ein "Verbrechen gegen zukünftige Generationen". Seit Jahren setzt sich die Menschenrechtsaktivistin dafür ein, diesen Straftatbestand in das Statut von Rom, die Rechtsgrundlage des Internationalen Strafgerichtshofs, aufzunehmen.

Vom Model zur Menschenrechtsaktivistin

Bei einem Vortrag im Rahmen der "Salzburg Law School on International Law" präsentierte Jagger am Dienstag ihre Forderungen. Die in Nicaragua geborene studierte Politologin, die in den 1970er-Jahren als Model und Schauspielerin arbeitete und von 1971 bis 1978 mit Rolling-Stones-Frontmann Mick Jagger verheiratet war, setzt sich seit drei Jahrzehnten für die Durchsetzung der Menschenrechte in den unterschiedlichsten Teilen der Welt ein. In Salzburg, wo sie Stammgast der Festspiele ist, war sie zuletzt eher negativ aufgefallen: Sie hatte sich vor Gericht monatelang mit dem Finder eines teuren Rings, den sie vor einem Hotel verloren hatte, um den Finderlohn gestritten.

Die BP-Ölkatastrophe sei nur ein Fall von vielen, sagte Jagger am Dienstag. Multinationale Konzerne, speziell Öl-, Gas- und Chemiekonzerne, seien für einige der schlimmsten Umweltkatastrophen und Menschenrechtsverletzungen der Welt verantwortlich. Besonders schlimm sei die Situation in der Dritten Welt, wo Regierungen den Konzernen oft freie Hand im Umgang mit der Umwelt ließen, solange sie nur Geld ins Land bringen.

"Kultur der Straflosigkeit"

Die von ihr gegründete "Bianca Jagger Human Rights Foundation" fordert daher seit drei Jahren, dass "Verbrechen gegen zukünftige Generationen" als Straftatbestand neben Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Völkermord in das Statut von Rom aufgenommen werden. Als "Verbrechen gegen zukünftige Generationen" seien dabei alle Handlungen zu sehen, die im Wissen um ihre schweren negativen Auswirkungen auf die Gesundheit, die Sicherheit oder das Überleben künftiger menschlicher Generationen oder auf das Überleben ganzer Tier- und Pflanzenarten sowie Ökosysteme gesetzt werden.

Im Moment herrsche bei Umweltverbrechen speziell in Entwicklungsländern eine "Kultur der Straflosigkeit", kritisierte Jagger. Damit müsse Schluss sein. Bestehende internationale Verpflichtungen, etwa auf UN-Ebene, seien zahnlos, weil ihre Durchsetzung rein auf dem guten Willen einzelner Staaten beruhe. Etwas besser sei die Situation auf regionaler Ebene, etwa vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Der habe aber wiederum die Schwäche, dass er nur für Übertretungen zuständig ist, die auf dem Gebiet der Unterzeichnerstaaten der Europäischen Menschenrechtskonvention begangen werden.

Bestehende Regeln seien inadäquat

Auch bilaterale Verträge änderten nichts an der Straflosigkeit für Konzerne bei Umweltzerstörungen, sagte Jagger: "Auf der einen Seite gibt es 2600 bilaterale Investitionsverträge und noch einmal 250 Freihandelsabkommen, die die Interessen von Investoren schützen. Aber auf der anderen Seite gibt es kaum irgendwelche Verträge, die die Interessen der lokalen Gemeinschaften schützen."

Auch die Richtlinien der OECD für multinationale Konzerne, die eine Reihe von Regelungen etwa zur Einhaltung der Menschenrechte oder zum Umweltschutz enthalten, seien letztlich nicht durchsetzbar und hätten damit im Grunde nur Empfehlungscharakter. Prozesse vor nationalen Gerichten, die etwa in den USA unter Umständen auch für Taten zuständig sein können, die im Ausland begangen wurden, seien ebenso inadäquat, ihre Spruchpraxis oft unberechenbar.

Eigener Umweltgerichtshof?

Jagger berichtete auch von Bemühungen, neben dem Internationalen Gerichtshof und dem Internationalen Strafgerichtshof auch einen Internationalen Umweltgerichtshof einzurichten. Die Befürworter einer solchen Institution, die in der "ICE Coalition" und der "ICE Foundation" zusammengeschlossen sind, argumentieren damit, dass Umweltangelegenheiten oft spezialisiertes technisches Wissen bei den Richtern erfordern.

So oder so sei es notwendig, neue rechtliche Mechanismen auf internationaler Ebene einzuführen, um Umweltverbrechen zu sanktionieren, sagte Jagger. Dabei sollten nicht nur einzelne Manager, sondern auch die Firmen als solche und ihre Führungspersonen vor Gericht gestellt werden können. Fälle gebe es jedenfalls genug: Neben der BP-Ölkatastrophe nannte Jagger etwa die seit Jahrzehnten andauernde Verschmutzung des Grundwassers im Nigerdelta durch internationale Ölkonzerne oder das Chemieunglück im indischen Bhopal im Jahr 1984, für das der damalige Firmenchef bis heute nicht zur Rechenschaft gezogen wurde. (Markus Peherstorfer, derStandard.at, 17.08.2010)