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Orthodoxe Priester warteten am Sonntag im Sumela-Kloster am Schwarzen Meer auf die Messe, die von Patriarch Bartholomäus gefeiert wurde.

Foto: Reuters/Umit Bektas

Die Orthodoxie in der Türkei hofft nun auf weitere Zugeständnisse.

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Es war ein Großereignis für die orthodoxe Kirche in der Türkei. Nach 88 Jahren fand gestern, Sonntag, am Vormittag erstmals wieder eine Messe im berühmten Sumela-Kloster am Schwarzen Meer statt. Die Messe wurde vom Istanbuler Patriarchen Bartholomäus persönlich zelebriert, mehrere tausend Gläubige, nicht nur aus der Türkei, sondern auch aus Griechenland und Russland wollten an dem Ereignis teilhaben. Lediglich 500 konnten das Kloster betreten, alle anderen mussten sich mit Übertragungen auf Leinwände außerhalb begnügen, da im Kloster nicht genügend Platz ist.

Das Sumela-Kloster ist eine spektakuläre Anlage im Zigana- (früher Pontus-)Gebirge, das sich südlich der Hafenstadt Trabzon erhebt. Auf schmalen Pfaden geht es zu dem rund 1000 Meter hoch gelegenen Kloster, das wie ein Adlerhorst in den Felsen klebt.

Das Kloster liegt heute in einem Nationalpark und ist seit 1972 ein Museum. Zuvor war es fast 1500 Jahre lang ein Kronjuwel der byzantinischen, orthodoxen Kirche. Die Anfänge reichen bis ins Jahr 500, seine heutige Form erhielt es Ende des 14. Jahrhunderts, als in dem Kloster auch byzantinische Kaiser gekürt wurden. Nach der gescheiterten griechischen Invasion in den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts mussten die sogenannten Pontus-Griechen vom Schwarzen Meer genauso wie die Griechen der Ägäis-Küste im sogenannten Bevölkerungsaustausch das Land verlassen. An ihrer Stelle kamen Muslime aus Nordgriechenland, Mazedonien und Kreta. Seit dem Abzug der Pontus-Griechen stand das Kloster leer, es wurde durch einen Brand verwüstet und erst in den letzten Jahren wieder mehr schlecht als recht restauriert.

Zugeständnis an Orthodoxie

Der gestrige Gottesdienst ist ein Zugeständnis an die orthodoxe Kirche, auf das diese lange gewartet hatte. Im Patriarchat hofft man, dass in Zukunft wieder häufiger Messen im Kloster stattfinden können, auch wenn das Gebäude offiziell ein Museum bleibt. Für den Patriarchen ist die Messe im Kloster ein Hoffnungszeichen, dass bald auch andere Konflikte zwischen der orthodoxen Kirche und dem türkischen Staat gelöst werden können. Dabei geht es etwa um die Wiedereröffnung des Priesterseminars auf einer der Prinzeninseln vor Istanbul, das 1972 geschlossen wurde. Die orthodoxe Kirche braucht dringend Priesternachwuchs, wenn sie in der Türkei überleben will.

Die gestrige Messe im Sumela- Kloster war so etwas wie eine Ouvertüre für ein weiteres, noch wichtigeres religiös-politisches Ereignis, das in einem Monat am Vansee im Südosten der Türkei stattfinden wird. Ebenfalls erstmals seit dem Ende des Ersten Weltkriegs wird dann in dem armenischen Nationalheiligtum auf einer Insel im Vansee, in der Kirche von Akdamar, wieder ein Gottesdienst stattfinden. Auch für dieses Ereignis werden tausende Gäste aus Armenien und den Ländern erwartet, in denen die armenische Diaspora besonders stark ist. (Jürgen Gottschlich, DER STANDARD, Printausgabe 16.8.2010)