Jetzt wird in Brüssel das Stück "Klein gegen Groß" gegeben. Im EU-Konvent zeichnete sich am Freitag ab, worauf sich die Diskussion in der verbleibenden Arbeitszeit des Reformgremiums konzentrieren wird. Die große Frage ist, ob die Machtinteressen der großen und der kleineren Mitgliedstaaten bis zum 20. Juni im Konvent ihren Ausgleich finden. Symbolischer Mittelpunkt des Streits bleibt der künftige EU-Ratspräsident.

Die Aufregung über das provokante Präsidentschaftspapier des Konventsvorsitzenden Valéry Giscard d'Estaing von Dienstag war bei der Brüsseler Sitzung rasch ernsthaften Erörterungen über die Konsequenzen gewichen. Denn die Zeit wird knapp: In sieben Wochen wollen die EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfel in Thessaloniki Ergebnisse sehen. Zur Not müsse man Tag und Nacht tagen oder am Ende ein permanentes "Konklave" in Brüssel abhalten, fordern bereits einige Konventsmitglieder.

Dabei sind die entscheidenden Machtfragen im Konvent längst nicht ausdiskutiert: Gibt es einen permanenten EU-Ratsvorsitzenden? Behält jeder Staat einen EU-Kommissar? Wie viele Abgeordnete pro Land sitzen im EU-Parlament? - Das abgeschwächte Giscard-Papier des Konventspräsidiums, das nun auf dem Tisch liegt, beantwortet all dies zum Nachteil der kleineren Staaten. Scheitert aber der Konvent daran, werden am Ende nach alter Manier die Regierungen den Deal untereinander aushandeln.

So manch einem Vertreter der "Kleinen" wäre das wohl gar nicht so unrecht, denn in einer solchen Regierungskonferenz zählt die Stimme jedes Landes gleich. "Ohne uns geht gar nichts", trumpfte denn auch am Freitag Hannes Farnleitner, Konventsstatthalter von Kanzler Wolfgang Schüssel, auf. Er wisse im Konvent die Regierungsrepräsentanten von 21 Ländern gegen den aktuellen Präsidiumsentwurf an seiner Seite.

Schon sei der deutsche Außenminister Joschka Fischer und ein Konventsvertreter Frankreichs auf ihn zugekommen, um Kompromisse zu sondieren. Doch "wer beim Kartenspielen sagt, welches Blatt er hat, ist ein Schwachsinniger", so Farnleitner.

Dabei zeichnen sich bereits Lösungslinien ab - vor allem in der Frage nach der Notwendigkeit eines EU-Ratspräsidenten. Auch wenn Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker, Sprecher einer Gruppe von 16 kleineren alten und neuen EU-Staaten, dieses neue Amt weiter ablehnt, so baut doch Joschka Fischer als Vermittler zwischen Groß und Klein bereits erste Brücken.

Die Lösung könnte so aussehen, dass der Präsident nur eng begrenzte Kompetenzen als Moderator und Organisator bekommt. Zudem dürfte er keine eigene Bürokratie aufbauen und sich keine neuen Aufgaben suchen. Auch dem künftigen EU-Außenminister - über dessen Notwendigkeit sich fast alle einig sind - dürfte er nicht ins Gehege kommen.
(DER STANDARD, Printausgabe, 26. und 27. 04. 2003)