Die Wahrscheinlichkeit, dass der Bozner Athesia-Konzern bei der "Tiroler Tageszeitung" ("TT") einsteigt (DER STANDARD und etat.at berichteten), hat sich weiter erhöht. Wie der STANDARD von Insidern erfuhr, sollen zwischen beiden Verlagshäusern bereits Verhandlungen stattfinden. In zwei Monaten werde alles entschieden sein, heißt es.

Aus dem Athesia-Umfeld wird bestätigt, dass sich der Bozner-Konzern, der sich im Eigentum der Familie Ebner befindet - Konzernchef ist der SVP-Europaabgeordnete Michl Ebner - nun mit der Hälfte der "TT"-Anteile begnügen würde. Die "TT"-Eigentümer, die Erbengemeinschaft von Zeitungsgründer Joseph S. Moser, will nach dem Rückkauf der bisherigen 65 Prozent Springer-Anteile maximal 50 Prozent verkaufen. Wie berichtet, wird der Wert des "TT"-Verlags mit rund 100 Millionen Euro beziffert. Die Hälfte davon hat die Athesia an Rücklagen.

"Gar nichts sagen"

"Gar nichts sagen" will der Schweizer Anwalt Ernst Buob, der die Moser-Erben im "TT"-Aufsichtsrat vertritt. "Wir haben jetzt Stillschweigen vereinbart". Interesse gezeigt hatten auch der Vorarlberger Medienmulti Eugen A. Ruß ("Vorarlberger Nachrichten") gemeinsam mit den deutschen Verlegern Alfons Döser und Dirk Ippen ("Münchner", "Merkur"). In Bozen wird nicht ausgeschlossen, dass aus lokal-politischen Gründen eine Tiroler Unternehmer-Allianz den Einstieg der Südtiroler noch zu verhindern versucht.

"Eine Reihe von Synergien"

Insider sehen bei einem Athesia-Einstieg "eine Reihe von Synergien". Beim Druck gäbe es "Überkapazitäten", da Athesia auch die frühere Tyrolia-Druckerei in Innsbruck besitzt. Redaktionell ließen sich Teile der "TT" und des Athesia-Flaggschiffs "Dolomiten" "gemeinsam produzieren", etwa die Außenpolitik. Neben der "TT" - die in Tirol mit 62,1 Prozent Reichweite dominiert - besitzt der Schlüsselverlag Moser unter anderem eine eigene Druckerei und die Hälfte am "Print"-Zeitungsverlag (Tirols Bezirksblätter).

Ein Einstieg von Athesia hätte eine erhebliche politische Dimension. Konzern-Chef Ebner, der sich selbst auch als EU-Abgeordneter "für (Nord)Tirol" sieht, ist auf Initiative von VP-Chef Landeshauptmann Herwig van Staa in den Tiroler ÖVP-Vorstand kooptiert worden. Es gilt als möglich, dass er bei den EU-Wahlen 2004 in Tirol kandidieren könnte. Die VP-Zentrale wollte dies auf Anfrage "nicht dezidiert ausschließen". Die italienische Staatsbürgerschaft Ebners wäre rechtlich kein Hindernis. Er müsste nur den Wohnsitz nach Tirol verlegen. (Benedikt Sauer/DER STANDARD, Printausgabe vom 26.4.2003)