Und da soll noch jemand sagen, dass Computerspiele keinen Beitrag zur Hebung der Volksbildung leisten. Wer wissen will, was der Belgier Damian de Veuster mit Lepra zu schaffen hat oder welche Rolle die "Copperheads" im US-Bürgerkrieg gespielt haben, kann Geschichtsbücher wälzen - oder Victoria II (Paradox Interactive, für PC, ab 35 Euro, ab 12 Jahren) in das PC-Laufwerk einlegen.

Bei dem Spiel dreht es sich um das imperialistische Zeitalter zwischen 1835 und 1935, als Staatschef oder Monarch der damals existierenden unabhängigen Staaten (von Holstein bis Russland) versucht man quasi, die Weltherrschaft zu erringen.

"What-ever happens, we have got the Maxim gun and they have not"

Gemäß dem damals in England verbreiteten Reim auf das erste Maschinengewehr "What-ever happens, we have got the Maxim gun and they have not", ist der Weg zur Kontrolle der Kolonien auch ein militärischer. Doch im Gegensatz zur Hearts of Iron-Serie des selben Herstellers liegt der Schwerpunkt nicht auf Schlachten.

War der ursprüngliche Victoria aus dem Jahr 2003 noch eine Hölle des Mikro-Managements, bei dem Warenproduktion, Welthandel und Bevölkerungsentwicklung meist händisch eingegeben werden mussten, ist der Nachfolger hier deutlich besser. Wer will, kann vieles automatisieren und sich auf Diplomatie und die politische Entwicklung des eigenen Landes konzentrieren.

Eigenleben

Die Bevölkerung entwickelt nämlich ein ganz erstaunliches Eigenleben: Neue Parteien von den Anarchisten bis zu den Faschisten können entstehen, Nationalitätenkonflikte zum Bürgerkrieg und der Entstehung neuer Staaten führen.

Neu ist auch, dass sich neben Zufallsereignissen auch historische nicht zu einem festgesetzten Zeitpunkt ereignen, sondern vom Spielverlauf abhängig sind. Und dabei erfährt man dann auch, dass sich Damian de Veuster als Priester um Leprakranke auf Hawaii kümmerte und die Copperheads Nordstaatendemokraten waren, die gegen den Bürgerkrieg opponierten. (Michael Möseneder, DER STANDARD Printausgabe, 14. Augut 2010)