Foto: DER STANDARD/Corn

"Das klingt mir jetzt alles ein bisschen zu harmlos, Herr Doktor!": Ministerin Heinisch-Hosek rügt Schönheitschirurg Worseg für Eingriffe an Frauen

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Standard: Frau Minister, im Ästhetic-Center von Artur Worseg legen sich jährlich hunderte Frauen unters Messer, um schöner, fitter, jünger zu wirken. Hat damit der Feminismus nicht krass versagt?

Heinisch-Hosek: Seit den Achtzigern gaukelt uns die Kosmetikindustrie, die wegen der Frauenbewegung in den Siebzigern arge Einbrüche erlebt hat, ständig neue Schönheitsideale vor. Ich aber finde: Eine Schönheitsoperation ist kein Friseurbesuch - und daher möchte ich als Feministin darauf hinweisen, dass das einer Selbstentwertung gleichkommen kann. Wahre Schönheit entsteht nur durch Zufriedenheit und Ausstrahlung.

Standard: Frauen lassen sich Fett absaugen, Cellulite wegtherapieren, dafür Implantate einsetzen, Make-up tätowieren. Wieso lassen bei weitem nicht so viele Männer an sich herumdoktern?

Worseg: Weil hierzulande noch immer der Ausspruch der Tante Jolesch gilt: "Alles, was ein Mann schöner ist als ein Aff, ist Luxus." Die meisten Männer, die zu mir kommen, sind Zuwanderer. Das sind sehr eitle Männer, die gerne zum Friseur gehen ...

Heinisch-Hosek: Macho-Männer?

Worseg: Eher so eine Mischung aus Macho und Weichei. Prinzipiell möchte ich aber festhalten, dass die Eitelkeit zwischen den Geschlechtern gleich verteilt ist. Männer jedoch kompensieren das anders - eher durch übertriebene Fitness, immer schnellere Autos.

Standard: Schicken Sie Frauen auch weg, wenn diese mithilfe eines Eingriffs etwas kompensieren möchten?

Worseg: Durchaus. Fakt ist, dass viele Frauen etwas machen lassen wollen, weil dahinter Beziehungsprobleme stecken. Ihr Gatte hat etwa seit Jahren eine Freundin. Oder er greift sie nicht mehr an. Da besteht dann oft die Hoffnung: "Nach der Operation schaut er mich sicher wieder an."

Heinisch-Hosek: Es entscheidet oft der männliche Blick, wie wir Frauen aussehen wollen. Dazu kommt die sexistische Werbung, wenn etwa eine Firma für Fensterrahmen quasi meine Alte beim Fenster raus - und schon habe ich das neue Produkt samt Frauen, die wie Models aussehen. Dabei sehen jene, die viel an sich machen lassen, irgendwie alle gleich aus. Mich aber erschreckt vor allem, dass die Frauen, die eine Schönheits-OP vornehmen lassen, ständig jünger werden - obwohl deutsche Studien längst belegen, dass jeder fünfte Eingriff danebengeht. Daher trete ich dafür ein, das etwa für Brustoperationen von der EU empfohlene Mindestalter von achtzehn Jahren einzuhalten. Ich möchte Sie daher fragen: Operieren Sie auch Mädchen aus ästhetischen Gründen?

Worseg: In Ausnahmefällen - ja. Gerade junge Mädchen leiden häufig massiv unter Fehlbildungen der Brust, etwa unter Spitzbrüsten oder Rüsselbrüsten - obwohl das nur ein ästhetisches, kein medizinisches Problem ist. Eine strikte Altersgrenze ist daher in der Praxis kaum umzusetzen. Denn manche Mädchen leiden derart, auch sozial, unter ihrer Situation. Sie bleiben zu Hause - und ein Jahr nach dem Eingriff fühlen sie sich frei, gehen gerne weg, haben einen Freund.

Heinisch-Hosek: Es ist aber wichtig, den jungen Leuten nicht einfach zu suggerieren: "Ein paar Schnitte - und alles wird gut." Das klingt mir jetzt alles ein bisschen zu harmlos, Herr Doktor!

Worseg: Das dachte ich mir. Sie haben sich ja auch schon einmal massiv gegen die Verlosung einer Brust-OP in einer Diskothek eingesetzt. Damals habe ich mir gedacht: "Was spielt sich denn bitte sonst noch alles in so einer typischen Land-Disco ab?" Alkohol-gelage, Drogenverkauf, Schlägereien. Nahezu jede zweite Familie hat ein Kind zu beklagen, weil es im Auto mit Angesoffenen heimfahren wollte. Konsequenterweise müsste man da noch viel mehr unter Jugendverbot stellen.

Heinisch-Hosek: Ich bin sicher keine, die die Realität verleugnet. Aber: Ich muss doch so was nicht noch extra verlosen. Das sind schwerwiegende Eingriffe unter Vollnarkose - und sie bergen Gefahren.

Worseg: Vor einem Eingriff gilt es vor allem zu klären: Ist durch das Äußere eine psychische Belastung gegeben - und hat das bereits Folgewirkungen wie Vereinsamung?

Standard: Beginnt ab der Pubertät nicht bei jedem eine gewisse Unzufriedenheit mit dem Körper?

Heinisch-Hosek: Genau! In dieser Zeit schwanken doch nahezu alle Jugendlichen zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt. Ob jemand nur zu Hause herumsitzt, hängt nicht nur von einem Spitzbusen ab, sondern auch davon, ob jemand im Freundeskreis, in der Schule, am Arbeitsplatz Anerkennung bekommt.

Standard: Apropos Arbeitsplatz: Was bringt Frauen gutes Aussehen im Beruf: eine steilere Karriere, mehr Geld - oder auch Probleme?

Worseg: Zunächst nur Vorteile, vor allem in Firmen, die sich nach außen zu präsentieren haben - und das wird auch immer so sein: Also bessere Chancen auf ein gutes Gehalt wie Aufstieg. Aber: Innerbetrieblich haben schöne Leute oft mehr Probleme. Weil sie eher angefeindet werden und ihnen gerne unterstellt wird, sie hatten mit dem Richtigen was, dass sie jetzt dort sind, wo sie eben sind.

Heinisch-Hosek: Ich teile diese Ansicht. Es gibt nämlich Untersuchungen, etwa für die männlich dominierte Finanzbranche, die zeigen, dass es schöne Frauen nicht immer so leicht haben - weil sie eher als Konkurrentinnen wahrgenommen werden.

Standard: Gilt das Ganze auch für die Politik?

Heinisch-Hosek: Weil wir der Mediengesellschaft unterworfen sind, werden beide Geschlechter nach ihrem Aussehen beurteilt.

Worseg: Mir fällt aber auf, dass am Beginn der Frauenbewegung die Vertreterinnen eher Mann-Frauen waren. Vom Gehabe her, auch vom Aussehen. Heute sind die Politikerinnen richtige Frau-Frauen. Sie schauen gut aus und haben alle weiblichen Attribute.

Heinisch-Hosek: Und trotzdem sind sie Feministinnen. In den Siebzigern wollten sich die Frauen halt von der Herrschaft der Männer befreien. Diese Zeiten sind vorbei. Ich denke, dass es heute nur gemeinsam geht, zumindest mit solidarischen Männern. Männer, die blöd daherreden, interessieren mich sowieso nicht.

Worseg: Mann-Frauen waren für uns aber besser einzuschätzen.

Heinisch-Hosek: Also ist g'scheit und schön letztlich eine Bedrohung für euch Männer.

Worseg: Wenn es rein um den Geschlechterkampf geht - definitiv ja.

Heinisch-Hosek: Dann ist das offenbar auch der Grund dafür, warum Männer Frauen nicht so gern in Aufsichtsratfunktionen lassen.

Standard: In den Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen sitzen auf zehn Plätzen noch immer neun Männer. Was ist gegen eine gesetzliche Frauenquote einzuwenden, auf die die Frau Minister beharrt?

Worseg: Mir fällt dazu ein: Es sollte nicht nur Bruderschaften, sondern endlich auch Schwesternschaften geben.

Heinisch-Hosek: Keine Sorge, wir Frauen können schon miteinander. Ich lehne ab, was Männer bei dem Thema gern vorbringen: "Kein Wunder, das liegt am Zickenkrieg!" Entscheidungen von gemischten Führungsteams würden oft anders aussehen, davon bin ich überzeugt. Vielleicht hätte sogar die Wirtschaftskrise so nicht stattgefunden. Aber Männer vernetzen sich ja überall, sogar in der Sauna - und wir hüten zu Hause die Kinder.

Worseg: Diese Aufsichtsratsfunktionen sind ja quasi Schattenpositionen, da muss man biegsam sein und gut packeln können. Frauen sind da ja grundsätzlich oft ein bissl korrekter. Wenn man etwa von einem Polizisten aufgehalten wird, weiß man, mit dem kann man eventuell reden, dem erklärst jetzt einmal irgendetwas. Bei einer Frau hingegen, denkt man: Die ist sicher nicht bereit zu verhandeln. Ähnlich funktioniert das in Aufsichtsräten. Aber im Ernst: Bei gleicher Ausbildung und Berufserfahrung ist die Quote freilich berechtigt.

Standard: Warum bloß wollen die meisten Mädchen jedoch am liebsten Friseurin werden?

Heinisch-Hosek: Ich frage da ja gelegentlich auch nach. Ich glaube, dass der Beruf mit dem klassischen Rollenbild in Verbindung gebracht wird, also gut zu riechen und schön zu sein. Die technischen Berufe hingegen werden ja damit assoziiert, dass man sich dabei schmutzig macht. Auch die Eltern sind da gefordert, näher hinzusehen, was ihre Töchter noch alles andere an Talenten haben.

Standard: Als getrennter Vater eines Sohnes: Die Justizministerin will nun die automatische gemeinsame Obsorge für Kinder, wenn sich ein Paar trennt. Eine gute Idee?

Worseg: Da muss ich Ihnen, Frau Minister, schon vorwerfen, dass Sie gegen die automatische gemeinsame Obsorge sind. Mit dem jetzigen Recht produzieren Sie mittellose Mütter mit Kindern. Wenn eine Lebensgemeinschaft aufgelöst wird, bedeutet das, dass die Mutter keinen Anspruch auf Geld hat vom Mann. So kommt es dazu, dass der Mann nur Geld gibt, um sein Kind zu sehen. Oder die Mutter lässt den Mann nur zum Kind, wenn sie Geld sieht.

Heinisch-Hosek: Darum muss man aufklären, aufklären, aufklären. Wenn ich nur zusammenlebe, muss ich wissen, dass die Mutter allein obsorgeberechtigt ist, außer man beantragt als Paar eine gemeinsame. Sonst gilt man vorm Gesetz als Fremde.

Worseg: Viele Männer heiraten nicht, weil sie Angst haben, dass bei einer Scheidung alles weg ist.

Heinisch-Hosek: Deswegen bin ich in Diskussion mit Justizministerin Claudia Bandion-Ortner, weil wir moderne Antworten auf die vielen Lebensgemeinschaften brauchen. Freilich gibt es die Streitfälle, wo der Vater brav zahlt, aber das Kind nicht sieht. Es gibt auch die Väter, die brav zahlen und sich nicht kümmern ums Kind. Und es gibt die, die nicht zahlen und das Kind dauernd sehen wollen.

Standard: Zu guter Letzt: der größte Mythos über das schönere Geschlecht?

Worseg: Die ewige Schönheit.

Standard: Und der größte Mythos über das stärkere Geschlecht?

Worseg: Es kann gut schweigen.

Heinisch-Hosek: Ja, genau das wage ich anzuzweifeln. Männer sind nur anders unterwegs. Die reden untereinander genauso.

Worseg: Dafür können Männer nicht bügeln. Eine halbe Stunde hab ich für das Hemd gebraucht!

Heinisch-Hosek: Das schaut gar nicht schlecht aus, Herr Doktor. So kann man auf die Straße gehen. (Nina Weißensteiner, DER STANDARD, Printausgabe, 14./15.8.2010)