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Chris Blizzard "Director of Web Platform" bei Mozilla.

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Der Firefox - auch roter Panda genannt - ist das Maskottchen des Mozilla-Browsers.

Kaum eine andere Softwaresparte erfreut die NutzerInnen derzeit mit einem ähnlich intensiven Wettbewerb wie der Browsermarkt. Einst jahrelang von Microsoft dominiert, überbieten sich aktuell die Browserhersteller laufend mit neuen Funktionen und Geschwindigkeitsverbesserungen.

Eine Situation, die nicht zuletzt dem Aufstieg des Firefox zu verdanken ist, hat dieser doch die eingefahrenen Positionierungen aufgebrochen und so Microsoft de fakto zur Wiederaufnahme der Entwicklung gezwungen. Die Rolle des agilen Herausforderers hat man allerdings gerade in den letzten Monaten an einen - relativen - Neuzugang in der Browserwelt verloren: Google Chrome. Über die veränderte Situation, die daraus entstehenden Herausforderungen und kommenden Neuerungen hat Andreas Proschofsky mit Mozillas "Director of Web Platform" am Rande der Linux-Desktop-Konferenz GUADEC gesprochen. Das folgende Interview ist als zusätzlicher Service auch in der englischen Originalfassung verfügbar.

derStandard.at: Als wir vergangenes Jahr gesprochen haben, haben Sie festgestellt, dass trotz all des öffentlichen Interesses für Google Chrome selbst EntwicklerInnen auf Tech-Konferenzen - wie etwa der GUADEC - noch immer den Firefox bevorzugen. Wenn ich mich heuer so umsehe, scheint sich diese Situation massiv verändert zu haben, viele dieser "Early Adopters" sind augenscheinlich auf Chrome / Chromium umgestiegen. Hat Mozilla ein Problem in diesem spezifischen - aber einflussreichen - Segment?

Chris Blizzard: Nach meiner Erfahrung nutzen ziemlich viele davon in Wirklichkeit zwei Browser parallel, trotzdem ist das definitiv eine interessante Entwicklung. Aus der Sicht eines Web-Entwicklers würde ich ja sagen, dass unsere Tools noch immer erheblich besser sind als die von irgendjemandem anderen.

Spannend ist aber auch, dass wir bislang keine großen Veränderungen bei unseren eigenen Zahlen feststellen können, auch wenn Chrome in diesem Segment unbestritten große Gewinne einfährt. Das liegt auch daran, dass all diese kolportierten Zahlen eigentlich nicht Nutzerzahlen sondern Nutzungszahlen sind, insofern haben "Early Adopters" - die das Web besonders intensiv verwenden - hier einen überdurchschnittlichen Einfluss. So sieht es dann aus als würde Chrome mehr genutzt als er es eigentlich wird. Interessanterweise hatten wir den selben Effekt in den frühen Firefox-Zeiten, das war uns allerdings damals noch nicht klar, da uns die nötigen Analysetools noch fehlten.

Ẃir haben zudem einige Untersuchungen angestellt und dabei entdeckt, dass ziemlich viele Leute ihren Browser nach sehr spezifischen Funktionen wählen. Das geht soweit, dass jemand der gerne seine zuletzt besuchten Seiten in einem neuen Tab präsentiert haben will, Google Chrome wählt, wer eine leere Seite vorzieht, hingegen zu Firefox greift. Was hier seinen Anfang nimmt, ist, dass die Wahl des Browser immer öfter nach solchen Vorlieben erfolgt, die aktuellen Entwicklungen sind da nur eine erste Auswirkung dieses Phänomens.

Uns ist klar, dass wir unmöglich die Bedürfnisse von jedem einzelnen erfüllen können, und das ist auch gar nicht unser Ziel als Organisation. Wir wollen das Web als Plattform vorantreiben, und damit sind wir bislang äußerst erfolgreich.

derStandard.at: Google hat unlängst angekündigt, künftig alle sechs Wochen neue stabile Feature-Updates für Chrome veröffentlichen zu wollen, um die eigenen Innovationen schneller an die breite Masse zu bringen. Mozilla bietet derzeit im Schnitt jedes Jahr eine neue Major-Release an, ist das nicht alleine schon aus einer Marketing-Perspektive ein entscheidender Nachteil?

Chris Blizzard: Nun, das kommt darauf an, welche Geschwindigkeit man haben will, die Chrome-Entwickler gehen das etwas anders an als wir. Es wird sicherlich spannend herauszufinden, ob irgend jemand jenseits der "Early Adopters" damit leben kann, dass sich der eigene Browser alle sechs Wochen verändert. Wir bevorzugen den Nutzern mehr Zeit zu geben, um sich etwa auf gröbere Interface-Änderungen einzustellen.

Aber natürlich ändern wir auch nicht immer die Versionsnummer, wenn wir große Änderungen vornehmen. So waren etwa die "Out-of-process"-Plugins, die wir innerhalb der Firefox 3.6.x-Serie eingeführt haben, ein ordentlicher Brocken an Arbeit, von dem die Nutzer stark profitiert haben.

Ich muss zugeben, dass ich etwas skeptisch bin, was einen sechswöchigen Release-Zyklus anbelangt. Wo findet man in so einer kurzen Zeitspanne noch die Zeit für wirkliche Innovationen? Aber klar: Öfter neue Versionen zu bringen, ist etwas, das wir auch erreichen wollen, wir müssen nur den richtigen Rhythmus für uns finden.

derStandard.at: Einer der Vorteile eines schnellen Release-Zyklus ist beispielsweise, dass Google den kommenden Chrome Web Store recht schnell an all seine NutzerInnen ausliefern kann. Gibt es bei Mozilla Pläne etwas ähnliches umzusetzen?

Chris Blizzard: Persönlich denke ich, dass so ein App-Store eine ziemlich interessante Idee ist, also Online-Anwendungen leichter auffindbar zu machen und ein Verkaufsmodell herum zu entwickeln. Aber damit das wirklich funktioniert, müssen zunächst eine ganze Reihe von externen Faktoren stimmen, und darauf wollen wir uns zunächst einmal konzentrieren.

derStandard.at: Was fehlt hier noch konkret, um so einen Web-Store wirklich sinnvoll umzusetzen?

Chris Blizzard: Javascript-Performance ist natürlich immer wichtig, aber da sind wir bereits auf einem sehr guten Weg, in der Zukunft reden wir hier von beinahe nativer Performance. Dann braucht es natürlich noch WebGL für 3D-Anwendungen, und wir müssen die Offline-Speicherung von Daten lösen - in diesem Bereich herrscht derzeit ein ziemliches Chaos. Zudem muss man sehr vorsichtig in Hinblick auf die Sicherheit sein, auch hier arbeiten wir momentan an grundlegenden Verbesserungen. Dazu gehört etwas ForceTLS mit dem Webseiten einem Browser mitteilen können, dass sie von Anfang an ausnahmslos verschlüsselt kommuniziert werden soll, was gewisse Gruppen von Angriffen unterbindet. Außerdem arbeiten wir an der "Content Security Policy", die gegen eine ganze Klasse von Cross-Site-Scripting-Attacken helfen soll.

derStandard.at: In aktuellen Javascript-Benchmarks schneidet der Firefox eher unterdurchschnittlich ab, wird dabei sogar vom Internet Explorer 9 überholt. Verpasst man hier langsam den Anschluss?

Chris Blizzard: Firefox 4 wird auch in diesem Bereich zahlreiche Verbesserungen bringen, diese sind aber einfach noch nicht in die aktuellen Entwicklungsversionen eingeflossen. Was wir beobachtet haben, ist, dass wir in all den Fällen, wo unsere Tracing-Engine greift, schneller sind als sonst jemand. Nur in den Fällen, wo dieser Ansatz nicht passt, ist die Konkurrenz besser. Insofern versuchen wir derzeit diese Basis-Performance zu verbessern und das dann mit unserem Tracing-JIT zu verbinden, das Resultat sollte den anderen eine Generation voraus sein.

Aber auch sonst gibt es noch jede Menge Potential für Verbesserungen, auch wenn die aktuelle Generation von Javascript-Engines mittlerweile an der Decke angekommen ist. Die Unterschiede zwischen den diversen Browsern sind in Wirklichkeit nicht mehr so groß. Dazu kommt, dass die aktuellen Benchmarks kaum mehr sinnvolle Ergebnisse liefern, vieles davon wird gar nicht mehr durch tatsächliche Javascript-Performance beeinflusst. Nur um ein Beispiel für diesen negativen Einfluss von Benchmarks zu geben: Um hier gut abzuschneiden müssen wir an Dingen wie der Optimierung der Sommerzeitabfragen arbeiten, weil sich herausgestellt hat, dass das einen nachhaltigen Einfluss auf manche Benchmarks hat. Mit wirklichen Javascript-Verbesserungen hat das dann natürlich nichts mehr zu tun. Sunspider hat diese Probleme, auch Googles V8 beinhaltet einigen ziemlich verrückten Code, es ist also einfach auch schwer gute Benchmarks zu finden.

derStandard.at: Firefox 4 wird unter Windows Hardwarebeschleunigung per Direct2D und DirectWrite nutzen, sind ähnliche Entwicklungen auch für Linux und Mac OS X geplant?

Chris Blizzard: Im Rahmen dessen, was möglich ist: Ja. Wir versuchen die bestmögliche Leistung auf allen Plattformen zu bieten. Auf Windows 7 und Vista sehen wir durch den Direct2D-Support riesige Verbesserungen bei gewissen grafisch intensiven Aufgaben. Unter OS X unterstützen wir OpenGL für das Compositing, unter Linux tun wir das gleiche. Allgemein muss aber gesagt werden, dass die Windows-APIs hier einfach besser sind als das, was auf anderen Plattformen angeboten wird. Ein Beispiel: Unter Linux sollten eigentlich Cairo (die von Mozilla verwendete 2D-Grafikbibliothek, Anm.) und Pixman für eine gute Performance sorgen, leider verhindert dies aber die darunter liegende Infrastruktur. Was OS X anbelangt, sind wir eigentlich schon recht flott, auch wenn Windows derzeit mit dem Direct2D-Support flotter ist.

derStandard.at: Die Out-of-process-plugins sollten ursprünglich nur ein erster Schritt zu einer neuen Firefox-Architektur sein, bei der jeder Tab in einem eigenen Prozess läuft. Das ist ein Feature, das in den Plänen für Firefox 4 nicht vorkommt, ist das weiterhin ein Entwicklungsziel?

Chris Blizzard: Ja klar, aber nicht für Firefox 4. Interessanterweise könnte das zuerst in der mobilen Firefox-Version kommen, bevor wir das am Desktop ausliefern, so etwas ist in diesem Umfeld einfacher umzusetzen.

derStandard.at: Sie haben vor kurzem die Position des "Director of Web Platform" bei Mozilla eingenommen, welche Aufgaben fallen Ihnen damit zu?

Chris Blizzard: Bisher war ich offiziell mit der "Evangelization" und der Public-Relations-Gruppe beauftragt, habe aber immer mehr Plattform-Arbeit übernommen - die Zukunft des Webs im Auge haben, mit anderen Browserherstellern regelmäßige Gespräche führen. Und das ist etwas, das sich als immer wichtiger herausgestellt hat, insofern will ich mich fürs Erste einmal auf diese Aufgaben konzentrieren.

Vor kurzem habe ich etwa ein Treffen der Internet Engineering Task Force (IETF) besucht, wo wir über Dinge wie Weiterentwicklungen bei http, über Web-Sockets und Codecs diskutiert haben. In diesem Rahmen wird übrigens gerade an einem neuen Audio-Codec für Echtzeitkommunikation gearbeitet, das soll dann durch die IETF spezifiziert werden. Dabei handelt es sich eigentlich um die Kombination von bereits vorhandenen Technologien, aber dies mit einem Fokus auf sehr niedrigen Latenzwerten, wie es bei so einem Einsatzgebiet zentral ist. Und hier sind klassische Codecs wie Vorbis oder MP3 einfach sehr schlecht. Das ist nebenbei bemerkt ein Unterfangen, das in Zusammenarbeit mit Skype unternommen wird.

derStandard.at: Eine der wichtigsten Ankündigungen der letzten Monate war wohl die Vorstellung von WebM als neues freies Videoformat auf Basis von VP8 und Ogg Vorbis. Glauben Sie, dass es eine besser Chance hat erfolgreich zu sein als Theora?

Chris Blizzard: Ja, und zwar aus Qualitätsgründen. Hier muss ich etwas ausholen. Wer (das proprietäre und vor allem von Apple favorisierte, Anm.) H.264 nutzt, muss sich de fakto für eines von drei Profilen entscheiden, in der Realität ist das immer die niedrigste Einstellung "Baseline", weil das die einzige ist, die von allen iPhone-Versionen unterstützt wird, sonst also Millionen Nutzer ausgesperrt bleiben. Wenn man also Videocodecs vergleicht, muss man VP8 schon H.264 "Baseline" gegenüberstellen, und das ist keineswegs ein rhetorischer Trick: Ich habe einmal mit Entwicklern bei Youtube gesprochen, und die haben mir erzählt, dass sie auf ein anderes H.264-Profil wechseln wollten, schlussendlich aber wegen der mangelnden Unterstützung wieder auf "Baseline" zurückgerudert sind. Und das ist ein Vergleich bei dem sich VP8 aus einer Qualitätsperspektive hervorragend schlägt.

Wenn man über HTML5-Video spricht, muss man zudem zeitliche Abläufe und Trends im Browsermarkt in Betracht ziehen. Wenn man von einer Welt spricht in der HTML5-Video universell verfügbar ist - damit meine ich einen Wert von mehr als 80 Prozent, wo wir wohl in rund zwei Jahren sein werden - muss man auch überlegen, wie sich Browsertrends und Verschiebungen zwischen den Betriebssystemen hier auswirken werden. Im Endeffekt realisiert man dann, dass es auf eine Situation hinausläuft, in der jeder, der Video im Web anbieten will, sowohl H.264 als auch WebM unterstützen muss. Längerfristig bin ich ziemlich zuversichtlich, dass die freien Codecs in der besseren Position sind, vor allem wenn man aktuelle Trends wie Echtzeitkommunikation oder das Wachstum von mobilen Plattformen in Betracht zu. Bereiche in denen WebM ziemlich gut ist, oder es aufgrund der Partnerschaften mit Hardwareherstellern bald sein wird.

derStandard.at: Firefox 4 bringt die Möglichkeit "schlanke" Add-Ons in Form von Jetpacks zu entwickeln, wann sollen diese "klassische" Add-Ons ablösen?

Chris Blizzard: Die XUL-basierten Add-Ons sollen gar nicht abgelöst werden. Firefox als Plattform ist extrem flexibel, man kann umfangreiche Anpassungen am Browser vornehmen. Das ist etwas, das kein anderer Browser ermöglicht und das sich auch für das Projekt selbst großartig ausgewirkt hat. Immerhin hat ein großer Teil der Innovationen in Erweiterungen - und nicht im Browser selbst - sein Debüt gegeben.

Die Jetpacks sind hingegen eher mit den Chrome Extensions vergleichbar, bieten also wesentlich weniger Möglichkeiten. Aber sie sind eben auch einfacher zu erstellen, wir werden sogar einen Web-Editor anbieten, um die Entwicklung weiter zu vereinfachen. Jetpacks sind also einfacher zu bauen, sie sind wirklich einfach zu testen und man kann sie direkt ohne einen Neustart des Browsers ausprobieren. So nebenbei: Mit Firefox 4 kann man unter gewissen Voraussetzungen auch XUL-basierte Add-ons ohne Neustart einrichten, dafür müssen diese allerdings entsprechend angepasst werden und das dem Browser auch vermitteln. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 18.08.10)