Radisa Bogosavljevic ist einer von 350 Fischern am Donaukanal.

Foto: derStandard.at/Winkler-Hermaden

Sein Gepäck - Köder, Angeln und Getränke - transportiert Bogosavljevic mit der U-Bahn.

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Vom Wellenschlag der Twin City Liner lässt sich Bogosavljevic nicht beeindrucken.

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Ein Netz voller Brot soll die Fische anlocken.

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Fischen sei "besser als den ganzen Tag zuhause vorm Fernseher herumsitzen".

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Jeden Tag in der Früh packt Radisa Bogosavljevic seine Sachen und steigt in der Station Pilgramgasse in die U-Bahn ein. Er wohnt im 5. Bezirk, sein Ziel ist der Wiener Donaukanal. Unweit der Station Schottenring, gleich neben dem Lokal "Flex", das direkt am Kanal liegt, verbringt der 61-Jährige seit zehn Jahren seine Freizeit. Mehrere Angeln, Köder und Getränke hat er in seinem Trolley mitgebracht. Er wirft die Angeln aus, steckt die Getränke in ein Plastiksackerl, hängt sie ins Wasser, damit sie gekühlt bleiben - und wartet bis ein Fisch anbeißt.

Dass der Donaukanal auf den ersten Blick sehr schmutzig erscheint, stört den gebürtigen Serben nicht. Der Eindruck täusche, es gebe gute Fische im Wasser. Eine Studie hat vor wenigen Jahren die Artenvielfalt im Wiener Donaukanal nachgewiesen. Es wurden mehr als 30 Fischarten registriert, darunter viele, die in der Donau selbst als gefährdet gelten. Der Donaukanal dient offensichtlich als Rückzugsgebiet für viele Fische. Zu finden sollen Hechte, Zander, Brassen, Welse und sogar Forellen sein.

Durchschnittlich sind es fünf Stück, die Bogosavljevic pro Tag fängt. Viele Fische setzt er wieder zurück ins Wasser, weil sie noch zu klein sind. Andere nimmt er mit nachhause. Abends werden sie gegessen. Er selber kocht nicht sehr gerne, das überlässt er seiner Frau oder einem seiner beiden Söhne, der als Koch arbeitet.

"Besser als Fernsehen"

Die Söhne haben leider keine Zeit, um zum Fischen mitzukommen, bedauert Bogosavljevic. Dafür begleiten ihn oft Freunde zum Donaukanal. "Es ist besser als den ganzen Tag zuhause vorm Fernseher herumsitzen", sagt der Pensionist, blickt durch seine dicken Brillengläser in den strahlend blauen Himmel und macht einen Zug von seiner Marlboro.

Dafür, dass Bogosavljevic am Donaukanal fischen darf, braucht er eine Fischerkarte und eine Lizenz. Er werde oft kontrolliert, sagt er. Über die Fische, die er aus dem Wasser holt, müsse er Protokoll führen.

110 Euro für die Donaukanal-Lizenz für ein Jahr

Insgesamt besitzen 350 Fischer die Lizenz für den Wiener Donaukanal. Vergeben wird sie vom Verband der Österreichischen Arbeiter-Fischerei-Vereine (VÖAFV). Folgende Kosten fallen an: 38 Euro jährlich für die Mitgliedschaft beim Verein, 50 Euro einmalige Einschreibgebühr und 110 Euro für die Donaukanal-Lizenz für ein Jahr.

Bald könnten es allerdings schon weit weniger als 350 Fischer sein, die am Donaukanal fischen gehen. Die Stadt Wien hat eine verpflichtende Fischerprüfung eingeführt. "Wir wollen niemanden am Gewässer haben, der keinen Karpfen vom Hecht unterschieden kann", sagt Bernhard Weißborn vom Wiener Fischereiausschuss. Die Fischerprüfung ist gesetzlich seit dem 6. April dieses Jahres vorgeschrieben. Diejenigen, die in den letzten fünf Jahren bereits eine Fischerkarte ausgestellt bekommen haben, müssen die Prüfung allerdings nicht machen. Sie gilt für jene, die neu hinzu kommen. Fischer-Prüfungen aus anderen Bundesländern werden anerkannt.

Derzeit ist es sogar so, dass man für die Prüfung in andere Bundesländer ausweichen muss, weil das Gesetz zwar beschlossen wurde, entsprechende Verordnungen, wie die Prüfung durchzuführen ist, aber nicht erlassen worden sind. "Man hat darauf vergessen. Vor den Wahlen ist da nichts mehr zu erreichen", sagt Weißborn.

Nicht genügend Kenntnisse

Fischer, die einen Karpfen nicht vom Hecht unterscheiden können - damit hat Weißborn einen wunden Punkt angesprochen. Denn auch Martin Genser, Generalsekretär des VÖAFV, beklagt das "falsche Verhalten am Wasser" vieler Fischer und berichtet von Beschwerden über Fischer, die nicht genügend Kenntnisse aufweisen. Selbst alteingesessene Fischer würden oft nicht wissen, welche Fische sie aus dem Wasser holen. Die Größe der Fische und vorgeschriebene Schonzeiten würden nicht beachtet, und viele hätten einen nicht sehr umweltbezogenen Zugang zum Fischen.

Was sich niemand öffentlich - nur hinter vorgehaltener Hand - auszusprechen traut, sind die Konflikte, die sich aufgrund verschiedener kultureller Hintergründe auftun. Es gibt nicht wenige Fischer, die beklagen, dass es gerade die Fischer mit Migrationshintergrund sind, die "einfach jeden Fisch" mit nachhause nehmen - egal ob er groß genug ist oder sich gerade in seiner Schonzeit befindet.

Gastro-Meile nimmt Plätze weg

Ein weiteres Problem für die Fischer ist zunehmende Verbauung des Donaukanals durch Gastronomie-Betriebe. Erst kürzlich wurde das "Tel Aviv Beach" wiedereröffnet, auf der anderen Kanalseite, gleich beim Schwedenplatz, hat die neue Schiffanlegestelle mit dem Lokal "Motto am Fluß" aufgemacht. "Wir verlieren etliche Plätze", sagt Genser. Auf der Donauinsel sei es allerdings "noch gravierender" als am Kanal.

Genser will sich mit seinem Kritikpunkten aber nicht gegen die Stadt stellen, er betont, die Probleme nur aufzeigen zu wollen, mit denen Fischer nun mal konfrontiert seien.

Andere nutzen das Großstadtflair ganz gezielt. So gibt es den Trend zu sogenannten "Street Fishing" oder "Urban Fishing". Was jung und modern klingt, ist es auch. "Die Street-Fischer" gehen während der Mittagspause angeln - so wird es zumindest in Internet-Foren geschildert - und empfinden die Nähe zur Innenstadt als sehr positiv.

"Umweltproblem" Twin City Liner

Ein Dorn im Auge ist vielen Fischern der Twin City Liner, der Passagiere von Wien nach Bratislava und retour transportiert. Helmut Belanyecz, Vizepräsident des österreichischen Kuratoriums für Fischerei und Gewässerschutz, spricht von einem "großen Umweltproblem". Es sei nämlich so, dass die Twin-City-Liner nicht langsam genug fahren. Die Wellen schlagen ans Ufer und die Fischbrut leide unter dem Wellenschlag.

"Ein Frachtschiff erzeugt deutlich weniger Wellen als ein Ausflugsschiff", erklärt Belanyecz. Sie fahren langsamer, um nicht so viel Sprit zu verbrauchen. Beim Twin City Liner hingegen werde "auf Action" gesetzt. Fischer beklagen die Problematik und viele wollen ihre Fischerhütten in Simmering bereits verkaufen, weil nichts mehr zu fangen sei. 

Ein Tag ohne Fische 

Radisa Bogosavljevic ist von alldem jedoch unbeeindruckt. Er hat kein Problem mit den Schiffen und sagt: "Wenn ich einmal keinen Fisch fange, macht es auch nichts." Gerade wirft er ein Netz voller Brot ins Wasser und hofft, damit Fische anzulocken. Angebissen hat heute noch keiner. (Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 16.8.2010)