Und wenn Andreas Laun nun recht hat? Es liegt uns kein Zeugnis vor, dass Schrulligkeit vor Erkenntnis des göttlichen Willens schützt. Von der sinnlichen Gewissheit, über die Wege des Herrn, so verschlungen sie immer sein mögen, stets bestens vorausinformiert zu sein, hat sein Verein jahrhundertelang nicht schlecht gelebt, und wer mehr darüber wissen will, kann sich jeden Sonntag in der Krone bunt informieren - erspart den Kirchgang, bei dem man ohnehin nur mit den Meinungen gestresster Untergebener abgespeist wird. Wenn Laun für seine Exegese, Gott habe die einundzwanzig bei der Loveparade in Duisburg zu Tode gequetschten Jugendlichen aus Liebe gestraft, nun auf dem Grill gottloser Medien geröstet wird, kann ihn diese Erhöhung zum Märtyrer in seinen Auffassungen nur bestärken.

Gewiss, die Beurteilung als "Dolm" beziehungsweise "Zero der Woche" kann mit der Auszeichnung nicht ganz mithalten, die seinerzeit dem heiligen Laurentius widerfahren ist. Aber so wie dieser der Skepsis an seiner Gottesgewissheit mit der launigen Bitte begegnete, das Grillgut zu wenden, weil er einseitig bereits gar sei, wendete Laun sein Gottesurteil mit der Bemerkung ins Menschliche, Mitleid mit den Opfern sei natürlich etwas anderes. Seine irdischen Vergnügungen in Gott konnte das freilich nicht im Geringsten trüben, basieren diese doch auf strikt objektiver Erkenntnis: "Loveparade und Teilnahme an ihr sind, abgesehen von ihrem abstoßenden Erscheinungsbild, objektiv eine Art Aufstand gegen die Schöpfung und gegen die Ordnung Gottes, sind Sünde und Einladung zur Sünde!"

Das wirft die Frage auf, ob es sich bei der Teilnahme an der Loveparade und der Darbietung eines abstoßenden Erscheinungsbildes objektiv um jene Art von Sünde gehandelt hat, die nicht mehr mit Beichte und ein paar Dutzend Rosenkränzen abzutun gewesen wäre, sondern nur noch mit Zerquetschtwerden. Aus Liebe, versteht sich. Strafverschärfend für den "Aufstand gegen die Schöpfung" eventuell noch zehn Vaterunser. Und jetzt traurig, aber objektiv wahr: Wer in Duisburg weniger gestraft mit Verletzungen davonkam, wird von Gott sichtbar deutlich weniger geliebt, von den straflos gebliebenen unverletzten Teilnehmern ganz abgesehen. In diesem Sinne nicht zu bedauern auch der CDU-Bürgermeister von Duisburg, der auf diesem Aufstand gegen die Ordnung Gottes gegen zahlreiche Bedenken bestanden hat. Er hat das Zerquetschtwerden allerdings noch vor sich.

Geneigt, Andreas Launs Standpunkt, abgesehen vom göttlichen Strafausmaß, objektiv zu prüfen, bleibt nur noch eine Frage offen: Straft Gott aus Liebe nur bei Liebesparaden oder auch bei Veranstaltungen, deren abstoßendes Erscheinungsbild ein paar Nuancen heftiger als eine Art Aufstand gegen die Ordnung Gottes - Nächstenliebe, Mitleid, Gerechtigkeit - ins Bewusstsein dringt? Davon hätte Österreich zurzeit einiges zu bieten, und man will ja ganz gerne wissen, was an göttlicher Liebe auf die Nation zukommen könnte. Es muss auch nicht aufs Zerquetschtwerden hinauslaufen. Man wäre schon froh, wenn Staatsanwälte Ermittlungen nicht stoppen oder bis zur Verjährung verschlafen. (Günter Traxler, DER STANDARD-Printausgabe, 13.08.2010)