Wer auf Youtube den Suchbegriff "Webvideo" eingibt, wird mit rund 5000 Treffern "belohnt" . Die Sichtung im Meer der Amateurvideos ist schnell ermüdend. Schneller fündig wird man über Onlineplattformen wie clicker.com, die zwischen Fernsehen im Netz und "Web Originals" unterscheiden.

Häufig sind die Originalserien firmenfinanziert, was erhebliche Einflüsse auf den Produktionsprozess hat: Dann steht am Beginn einer Webserie das Unternehmen, das sich den Inhalt auf den Leib schneidert, so wie es zum Image am besten passt. Immer öfter können diese fiktiven Onlineserien mit dem "alten" Fernsehen locker mithalten. der Standard stellt die besten vor:

Im Kino enttäuschten zuletzt die fidelen New Yorkerinnen aus "Sex and the City". Im Netz gaben 2009 vier weitaus pfiffigere Kolleginnen eine kurzes, aber kräftiges Lebenszeichen. Candace Bushnell schrieb vier Folgen zu je vier Minuten von "The Broadroom" für den Kosmetikhersteller Maybelline. In "Dirty Little Secret" führt die Comic-Stylistin Riley Kendrick in zehn Folgen durch den New Yorker Modekosmos.

Dahinter stehen der Haarproduktehersteller Tresemmé und die Zeitschrift "Elle". Kultisch verehrt wird "The Guild": Die Geschichte einer Gilde von Computerspielern hat bereits 37 Folgen in vier Staffeln hinter sich, verfügt mittlerweile über einen Sponsorenvertrag mit Microsoft. Das Musikvideo zur Serie wurde auf Youtube mehr als 45 Millionen Mal abgerufen.

Bissige Satire mit Teekuche

Ein Teekuchen im putzigen Backförmchen in "Lonely Corn Muffin" ist in Wahrheit ein ultrakonservatives Wesen und die Serie eine sehr bissige Satire auf allzu bröselige Gewohnheiten: Casting macht ebenfalls nicht halt vor dem Web: "If I Can Dream" kombiniert Starmania mit Big Brother: Die Kandidaten leben in einem Haus in Kalifornien, das mit 56 Kameras ausgestattet ist, und verfolgen den Traum ihrer Karriere, ob Gesangskunst, Sport oder Mode. Pepsi und Ford sponsern. Dahinter steckt Simon Fuller, Erfinder von Pop Idol.

Alltag im College-Wohnheim

Maximale Durchleuchtung garantiert auch "Dorm Life". Der Onlineproduzent Attention Span Media engagiert zehn Nachwuchsschauspieler, die ihren Alltag im College-Wohnheim mit Webcams festhalten und Video-Tagebücher führen. Spannend ist das Geschäftsmodell von Attention Span Media: Die Produzenten sehen sich als kreative Schnittstelle zwischen Dramaturgie und Community.

Es geht um die Frage, wie eine Geschichte aufzubauen ist, damit sie möglichst zielgruppengenau ankommt.

"Marry Me On MySpace" verkaufte Endemol inzwischen an sechs Länder. Paare bewarben sich per Castingvideo um die Ausrichtung einer Hochzeit. Die Nutzer entschieden: wo die Hochzeit stattfindet, wer zum Essen kommt, welches Kleid die Braut trägt. Inzwischen gibt es den Ableger: Elle & Tito: The Married Life.

Gastauftritte

Spaß im perfekten Werbeumfeld bietet Illeanna Douglas (Grace of My Heart) in "Easy to Assemble": Der Bezug zum Sponsor ist nicht zu übersehen: Douglas arbeitet bei Ikea, weil sie ihre Hollywood-Vergangenheit loswerden will.

Die zweite Saison wurde in HD gefilmt. Douglas nutzt in der Serie ihre Kontakte zu Hollywood und holt immer wieder Stars zu Ikea: Gastauftritte gab es von Ed Begley Jr., Tom Arnold, Jeff Goldblum, Jane Lynch und Keanu Reeves, der mit Douglas im Ableger Sparhusen spielt:

Beste Film-noir-Tradition

Dylan Kussman schrieb, inszenierte und spielt die Hauptrolle in "The Steps". Ein Privatdetektiv zieht von Los Angeles nach Chattanooga in der Hoffnung, mit anderer Identität seiner korrupten Vergangenheit zu entkommen. Zehn Folgen zwischen sechs und elf Minuten in bester Film-noir-Tradition.

Verfolgungsalbtraum

Ridley Scotts RSA Films entwickelt "Purefold": Fünf- bis zehnminütige Filme, die zuerst im Web und erst danach im Fernsehen laufen sollen. Inspiriert sind die Folgen von Blade Runner.

Zahlreiche Preise heimste die hochneurotische Thrillerserie "Urban Wolf" ein: Ein amerikanischer Student besucht Paris und findet sich in einem Verfolgungsalbtraum aus Überwachungskameras und finsteren Mächten wieder. 15 Folgen zu je vier Minuten. (Doris Priesching, DER STANDARD; Printausgabe, 12.8.2010)