Was tun, um Triebtäter nach ihrer Freilassung aus der Haft zu überwachen? Die FDPsetzt in Deutschland auf die elektronische Fußfessel

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Dreimal ist Hans-Peter W. in den vergangenen Wochen innerhalb von Hamburg umgezogen. Einmal, als der 53-Jährige nicht mehr weiterwusste, flüchtete er in eine Polizeiwache. Derzeit befindet er sich an einem geheimen Ort.

Hans-Peter W. ist kein Star, kein Prominenter. Es sind auch nicht Paparazzi, die ihm auflauern, sondern Bürger und Reporter von Boulevardzeitungen. Denn Hans-Peter W. ist ein Schwerverbrecher, ein verurteilter Vergewaltiger, der seine Strafe abgesessen hat und jetzt wieder in Freiheit ist. Und einer, der gemeinsam mit vielen anderen Schwerverbrechern der deutschen Regierung große Bauchschmerzen bereitet.

Ausgelöst hat dies ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Straßburg. Im Dezember 2009 beanstandeten die Richter die in Deutschland gültige nachträgliche Sicherheitsverwahrung für Schwerverbrecher. Denn wer diese aufgebrummt bekommt, der bleibt auch nach Verbüßung seiner Haftstrafe im Gefängnis - selbst, wenn die Begründung für seine Gefährlichkeit erst in der Haftzeit angefallen ist, der Betreffende also gar keine neue Straftat begangen hat. Damit kommt die nachträgliche Sicherungsverwahrung aber einer lebenslangen Haftstrafe gleich, die es im deutschen Strafrecht eigentlich nicht gibt.

Als Folge dieses Straßburger Urteils müssen in Deutschland demnächst 80 Schwerverbrecher auf freien Fuß gesetzt werden. Einige, wie Hans-Peter W. in Hamburg, sind schon in Freiheit unterwegs. Das bringt die Regierung enorm unter Druck, denn sie hat eine Reform der Sicherungsverwahrung angekündigt. Allerdings: Sie hat es bis jetzt nicht geschafft, eine Lösung zu präsentieren.

Innenminister kontra Justiz

Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger setzt auf die elektronische Fußfessel. Dabei wird die Person, die die Fessel trägt, per GPS überwacht, man kann jederzeit feststellen, wo sie sich befindet. Die CDU jedoch lehnt dies ab. Eine solche Fessel "sagt ja nur, wo sich jemand aufhält, aber nicht, was er tut" , erklärt Innenminister Thomas de Maizière (CDU).

Die Union hingegen regt geschlossene Heime für Schwerverbrecher an und meint, bei der Errichtung und Betreibung derselbigen könnten sich ja mehrere Bundesländern zusammentun. Dies wiederum lehnt der Koalitionspartner FDPstrikt ab. "Alles, was über die elektronische Fußfessel hinausgeht, kommt der Sicherungsverwahrung sehr nah und ist damit nichts anderes als das, was der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als menschenrechtswidrig gewertet hat" , kritisiert der rechtspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Christian Ahrendt.

Dauerbewachung durch die Polizei scheint auch keine Lösung zu sein, weil die zuständigen Bundesländer schnell an die Grenzen der finanziellen Zumutbarkeit gelangen. So sind derzeit in Hamburg für die Überwachung (und mittlerweile auch den Schutz vor aufgebrachten Bürgern) von Hans-Peter W. 24 Polizisten im Sondereinsatz. Kosten der Observierung pro Woche: 50.000 Euro.

Namen am "Internetpranger"

Eine Allianz aus Polizeigewerkschaft und CDU/CSU-Politikern hat noch eine weitere Idee in die Diskussion eingebracht: Namen, Foto und detaillierter Wohnort des Gewaltverbrechers im Internet zu veröffentlichen. "Ich will wissen, wenn ein Vergewaltiger in der Nachbarschaft meiner Enkelin wohnt" , argumentiert Rainer Wendt, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft. Und der CDU-Innenpolitiker Reinhard Grindel sagt: "Ich wäre dafür zu prüfen, ob das rechtlich machbar ist." In den USA gibt es eine solche öffentliche Sexualstraftäterdatei bereits seit 1997. Im Bundesstaat Maine wurden im Jahr 2006 zwei Gewaltverbrecher von wütenden Anwohnern umgebracht.
 (Birgit Baumann aus Berlin/DER STANDARD, Printausgabe, 11. August 2010)