Am Dienstag geruhte Seine Exzellenz also wieder heimzukehren. Die Katastrophe biblischen Ausmaßes in seiner Heimat hatte Pakistans Präsident Asif Ali Zardari nicht dazu bewogen, seinen seit voriger Woche laufenden Auslandsaufenthalt in Frankreich und Großbritannien abzukürzen. Wobei ihm besonders negativ angerechnet wird, dass er seinen Trip mit einer politischen Kundgebung für seine Pakistan People's Party (PPP) in Birmingham krönte. Die wütenden Rufe "Zardari go home" flogen dementsprechend durch die Luft - auch Schuhe wurden gesichtet.

Bei dieser Gelegenheit wollte Zardari die politische Karriere seines 21-jährigen Sprößlings Bilawal Bhutto Zardari anstoßen, der in Birmingham auftreten wollte. Der Sohn von Benazir Bhutto hatte jedoch die besseren politischen Instinkte - oder Berater - und blieb in London, wo er zum Spendensammeln aufrief. Der Vater wird jedenfalls "in den nächsten Tagen" Flutopfer besuchen.

Der Trost bei der Geschichte ist, dass der Bhutto-Witwer und -Erbe Zardari, an dessen intellektuelle, moralische und politische Fähigkeiten viele Pakistaner nie geglaubt haben, heute nur mehr ein im Vergleich zu früher repräsentatives Amt hat. Im April setzte Zardari - und das ist ihm hoch anzurechnen - seine Unterschrift unter eine Verfassungsreform, mit der das Land zu demokratischen Verhältnissen zurückkehrte. Der Präsident verlor umfangreiche Befugnisse, die Exekutivgewalt liegt wieder beim vom Parlament gewählten rechenschaftspflichtigen Regierungschef.

Aber auch die Regierung hat keinen guten Ruf bei den Flutopfern, die sich von ihr völlig in Stich gelassen fühlen. Anonym geben Behördenvertreter zu, dass sie höchstens 40 Prozent der Betroffenen mit Hilfsgütern versorgen können. Am sichtbarsten und erfolgreichsten von allen staatlichen Institutionen ist noch das Militär - was einigen Beobachtern auch wieder Sorgen bereitet, denn das führt ja in Pakistan gerne ein Eigenleben. Andere sehen diese Bedenken angesichts der derzeitigen verlässlichen Armeeführung jedoch als unnötig an.

Verbote gelten nicht mehr

Wie in allen anderen islamischen Ländern mit einer schwachen staatlichen Struktur ist die Katastrophe jedoch vor allem eine Stunde der Islamisten. Jede einzelne der militanten Organisationen hat auch einen zivilen Zweig - und sie treten nun, obwohl sie verboten und als Terrorgruppen klassifiziert sind, in den betroffenen Gebieten offen mit ihren Symbolen auf. Sie sind die Ersten, die mit Hilfe zur Stelle sind, sie haben nicht nur finanzielle und andere Reserven, sondern auch die Infrastruktur, die ihnen erlaubt, die Opfer zu erreichen. Sie evakuieren Menschen (dazu mobilisieren sie Fahrzeuge, die die Behörden nicht haben), versorgen sie mit Lebensmittel und anderen Hilfsgütern und bringen sie unter.

Die New York Times berichtet über den Fall eines pakistanischen Mannes, säkular, Mitglied der PPP, der versucht, seine Spende von 80 Dollar an eine Hilfsstelle zu übergeben. Er findet nur von Islamisten organisierte Zentren, am Ende landet er in einer fundamentalistischen Madrasa (Religionsschule), sieht, dass es den dort untergebrachten 2500 Menschen wirklich gut geht und gibt dem Direktor das Geld.

Was der Beginn des Ramadan - des islamischen Fastenmonats, in dem auch traditionellerweise extremistische Gruppen noch gewalttätiger werden - für die Betroffenen bedeutet, ist noch nicht klar auszumachen. Nach islamischen Regeln müssen Menschen in einer solchen Situation natürlich nicht fasten - im Grunde dürfen sie das ja nicht einmal, wenn sie sich damit selbst schaden. Das ist jedoch natürlich eine Ermessenssache, und wie die diversen religiösen extremistischen Gruppen das sehen, ist eine große Frage. Die Menschen sind ihnen ausgeliefert - und auch noch dankbar. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 11. August 2010)