Kein anderer russischer Politiker hat es geschafft, so lange an der Macht zu bleiben wie der russische Katastrophenschutzminister Sergej Schojgu. Seit 1991 hat er in Russlands Regierung die Agenden Zivilschutz und Katastrophenbekämpfung über. Auf die Frage eines Journalisten, wie er es geschafft habe, fast zwei Dekaden seinen Posten zu behalten, sagte Schojgu: "Ich arbeite einfach viel und erledige meine Aufgabe."

Der 55-Jährige mit dem finsteren Blick ist mehr ein Mann der Taten als einer der Worte. In der Kindheit erhielt Schojgu, der in der Teilrepublik Tuwa nahe der Mongolei zur Welt kam, den Spitznamen "Teufel", nachdem er den reißenden Jenissei durchschwommen hatte. In seiner Studienzeit organisierte Schojgu Gruppen Freiwilliger, die bei Unglücken halfen.

Er arbeitete zunächst als Bauingenieur. 1990 wurde er nach Moskau und zum Vizechef des Komitees für Architektur und Baufragen berufen. Ein Jahr später avancierte er zum Minister für Katastrophenschutz. Damit ist Schojgu für die Rettungsdienste in ganz Russland zuständig und befehligt mit den Zivilschutztruppen seine eigene kleine, flexible Armee.

Die Zivilschützer, die auf rund 28.000 Mann geschätzt werden, spielten eine wichtige Rolle während des Coups im August 1991. Sie trugen dazu bei, dass die Reformer unter Boris Jelzin die Oberhand über die Kommunisten behielten. Jelzin revanchierte sich für Schojgus Unterstützung, indem er die Macht des Zivilschutzes ausweitete.

Im Jahr 1999 konnte Schojgu erneut seine Loyalität unter Beweis stellen. Er gehörte zu den Begründern der Partei Jedinstwo (Einheit), deren Aufgabe es war, den Machtwechsel von Jelzin zu Wladimir Putin zu begleiten. 2001 ging Jedinstwo in der jetzigen Regierungspartei Einiges Russland auf.

Schojgu steht immer an vorderster Front, egal ob es nun brennt, Kumpel in einem Bergwerk verschüttet wurden, ein Wasserkraftwerk explodiert oder ein Anschlag auf einen Zug verübt wurde.

Schojgu genießt großes Ansehen in der Bevölkerung und Autorität innerhalb der Regierung. Ihm werden daher auch höhere Weihen zugetraut. Seit Präsident Dmitri Medwedew in einem Interview erwähnte, dass nicht nur Premier Wladimir Putin und er selbst als Kandidaten für die Präsidentschaftswahl 2012 infrage kommen, sondern auch ein "Dritter", reißen die Gerüchte nicht ab, dass Schojgu für das Präsidentenamt kandidieren könnte. (Verena Diethelm/DER STANDARD, Printausgabe, 10.8.2010)