Nagasaki/Berlin - Drei Tage nach Hiroshima hat am Montag auch Nagasaki an den US-Atombombenabwurf vor 65 Jahren erinnert. Mit einer Schweigeminute gedachten die Menschen in der japanischen Stadt der rund 80.000 Toten. Zur Gedenkfeier kamen Vertreter aus 32 Nationen nach Nagasaki, darunter Repräsentanten der Atommächte Großbritannien und Frankreich. US-Botschafter John Ross habe wegen seines vollen Terminplans nicht teilnehmen können, teilte die US-Botschaft mit. Am Freitag hatte er als erster Vertreter einer US-Regierung die Gedenkfeier in Hiroshima besucht.

Der Festakt in Nagasaki begann mit einem Lied, das von einem Chor von Überlebenden des Bombenabwurfs gesungen wurde. Bürgermeister Tomihisa Taue forderte in einer Rede die Abschaffung aller Atomwaffen. "Nagasaki wird gemeinsam mit Hiroshima so lange alle Anstrengungen unternehmen, bis die Welt frei von Atomwaffen ist", sagte er.

Um 11.02 Uhr (Ortszeit, 04.02 MESZ), dem Zeitpunkt des US-Angriffs mit der Plutonium-Bombe "Fat Man" am 9. August 1945, legten die Teilnehmer der Zeremonie ein Schweigeminute ein.

Der japanische Regierungschef Naoto Kan sagte, Japan habe als einziges Land, das je in Kriegszeiten Opfer von Atombomben wurde, eine "moralische Verantwortung", für eine atomwaffenfreie Welt zu kämpfen. Bürgermeister Taue kritisierte die japanische Regierung dafür, dass sie Gespräche über eine nukleare Zusammenarbeit mit Indien aufgenommen habe, obwohl Indien den Atomwaffensperrvertrag nicht unterschrieben habe. "Das bedeutet, dass eine Nation, die selbst einen Atombombenangriff erlitten hat, das System der Nichtweiterverbreitung ernstlich schwächt", sagte der Bürgermeister.

Am Freitag hatte in Hiroshima mit Ban Ki-moon erstmals auch ein UNO-Generalsekretär und mit Botschafter Roos auch ein US-Vertreter an der jährlichen Gedenkveranstaltung teilgenommen. Der Südkoreaner Ban forderte mit Hinweis auf seine traumatischen Kindheitserfahrungen im Koreakrieg (1950-1953), im Bemühen um die Reduzierung der Massenvernichtungswaffen nicht nachzulassen, und kündigte an, das Thema im September auf die Tagesordnung einer UNO-Abrüstungskonferenz in New York zu setzen.

Auch zwei Jahrzehnte nach dem Ende des Kalten Krieges sind Russland, die USA und weitere Atommächte noch immer im Besitz tausender Atomsprengköpfe. Im April unterzeichneten US-Präsident Barack Obama und sein russischer Kollege Dmitri Medwedew ein neues Abkommen zur atomaren Abrüstung. Die Zahl der Atomsprengköpfe soll demnach auf 1.550 pro Land gesenkt werden.

Die Langzeitfolgen des Atombombenabwurfs waren einem aus Anlass dieses Jahrestags veröffentlichten Überblickspapier der Organisation Internationale Ärzte gegen den Atomkrieg (IPPNW) schlimmer, als bisher angenommen wurde. Darin kommen die Autoren zu dem Schluss, dass die Gefahr radioaktiver Strahlung jahrelang unterschätzt worden sei. Grund dafür seien Fehler in der statistischen Auswertung der Untersuchungsdaten von Atombombenopfern durch das japanische Forschungsinstitut für Strahlenfolgen (RERF). Die Daten des RERF dienten unter anderem auch der Internationalen Kommission für Strahlenschutz (ICRP) als Grundlage zur Festlegung von Strahlen-Grenzwerten.

Die Zahl der Krebserkrankungen müsse weit höher liegen, weil die sogenannte Kontrollgruppe ebenfalls der Strahlung ausgesetzt gewesen sei, hieß es in dem Papier weiter. Darüber hinaus sei die Gruppe der Menschen, die untersucht worden sei, "sehr robust" gewesen. Schwächere Menschen, vor allem Kinder und alte Menschen, seien zum Zeitpunkt der Untersuchung bereits gestorben. Diese Überlebenden als Referenzgruppe zu nehmen verfälsche aber das Ergebnis, teilte die Ärzteorganisation am Montag in Berlin mit.

In Hiroshima wurden beim ersten Einsatz einer Atomwaffe am 6. August 1945 rund 80.000 Menschen sofort getötet; in den folgenden Monaten erhöhte sich die Zahl der Opfer auf 140.000. Am 15. August 1945 kapitulierte Japan, damit endete der Zweite Weltkrieg. (APA)