Die beliebteste digitale Spielewelt ist gleichzeitig Hauptangeklagte in der Spielesuchtdebatte: "World of Warcraft"

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Manchmal wird man noch belächelt, wenn man angibt, sich mit Computerspielen zu beschäftigen. Nicht selten gesteht der Lächelnde aber dann selbst, digitale Unterhaltung in irgendeiner Form zu konsumieren: am Handy, in Facebook oder ein Tetris aus dem Jahre Schnee am Uraltcomputer. Soll heißen: Wir sind eine spielende Gesellschaft, nur ein bisschen verschämt. Videospieler können noch nicht auf die Akzeptanz bauen, die etwa Cineasten oder Freunde von TV-Serien genießen.

Durchbruch

Dabei haben Games in den vergangenen Jahren ihren Durchbruch geschafft: Die Titel Halo 3 und GTA 4 waren Türöffner zur Etablierung der digitalen Spielerei im medialen Mainstream. Familienunterhaltung auf der Nintendo Wii oder die Lebenssimulation der Sims, die mit überdurchschnittlich hohem Frauenanteil glänzt, sind Anzeichen, dass die Tage des Freakdaseins der Spieler langsam enden. Ästhetik und Handlung des Films Avatar sind etwa bis obenhin voll mit Gemeinplätzen aus digitaler Unterhaltung.

Film

Die Etablierung der Videospiele gehört zum Informationszeitalter wie der Aufstieg des Mediums Film mit der beginnenden Moderne. Entsprechende Schattenseiten gehören dazu: Suchtverhalten und die Beeinflussung durch Gewalt propagierende Inhalte werden hinlänglich in Studien und der Öffentlichkeit diskutiert und sowohl von Scheuklappen tragenden Verteidigern der Spiele wie von unwissenden Hetzern, die etwa politisches Kleingeld daraus schlagen wollen, missbraucht.

Ein Missverhältnis, das selten beachtet wird, ist der hohe Kommerzialisierungsgrad der Unterhaltungsform. Große Publisher hämmern mit einem Marketingbudget, das ein Vielfaches des Produktionsbudgets ausmacht, ihre Titel in den Markt. Der Gewinn gibt dieser Strategie oft recht. Der kommerzielle Erfolg bremst aber die künstlerische Evolution der neuen Ausdrucksform. Das Genre ist noch zu jung, zu wenig ausdifferenziert, um etwa ein Äquivalent des Autorenfilms herauszubilden. Eine starke Independent-Szene agiert zwar als Einflussgeber des Mainstreams, zu reichweitenstarken Produktionen ist sie aber nur selten fähig. Die rechtliche Akzeptanz als Kulturgut gleich Filmen oder Musik mit dazugehöriger staatlicher Förderungsmöglichkeit ist ein erster Schritt, zielt aber oft wieder nur auf kommerzielle Verwertbarkeit ab.

Die neuen Perspektiven jener, die mit Videospielen als selbstverständliche Unterhaltungsform aufgewachsen sind, wird das Genre in mehreren Hinsichten verändern. Spiele werden sich zu interaktiven Erfahrungsräumen ausweiten, sie auch mit Inhalten abseits oberflächlicher Unterhaltung füllen und der Gesellschaft Scham und Vorurteile gegenüber ihrer Freizeitbeschäftigung nehmen.(Alois Pumhösel, DER STANDARD Printausgabe, 6. Augut 2010)