Bern - Der Schweizer Finanzminister Hans-Rudolf Merz tritt im Oktober von seinem Amt zurück. Dies kündigte er am Freitag vor den Bundeshausmedien an. Der 67-jährige war im Dezember 2003 in die Regierung gewählt worden. Merz, der im Vorjahr turnusmäßig das Amt des Bundespräsidenten bekleidete, war wegen seines erfolglosen Blitzbesuchs in Libyen ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Außerdem wird ihm vorgeworfen, das Bankengeheimnis gegen die massive Kritik aus dem Ausland ungeschickt verteidigt zu haben. In der Regierung vertrat er die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP).
Der Freisinnige erklärte, dass er während der Sommerferien wie angekündigt "Bilanz gezogen" habe. Aufgrund dieser Bilanz habe er am Freitag bei der Präsidentin des Nationalrates, Pascale Bruderer, ein Demissionsschreiben eingereicht. Die schwere Entscheidung sei ihm leichter gefallen, weil einige wichtige Ziele erreicht worden seien. Merz nannte den Schuldenabbau, die Verabschiedung des umstrittenen UBS-Staatsvertrags durch das Parlament und die Rückkehr der in Libyen festgehaltenen Schweizer.
Kein Druck
Merz betonte, dass er von seiner Partei nicht unter Druck gesetzt worden sei. Der Rücktritt sei "in aller Freiheit geschehen". Auch sei schon im Frühjahr festgestanden, dass er nach dem Sommer zurücktreten werde. "Ich werde im Bewusstsein aus dem Bundesrat scheiden, dieses Amt mit allen mir zur Verfügung stehenden Kräften ausgeübt zu haben", sagte ein sichtlich bewegter Merz.
Merz' Rücktritt kommt nicht überraschend. Er war wegen der Libyen-Krise, dem Rettungspaket für die Großbank UBS und der Aufweichung des Schweizer Bankgeheimnisses in den vergangenen Monaten immer mehr unter Druck gekommen. So kritisierten die mitregierenden Sozialdemokraten in einer ersten Reaktion, dass Merz in der Libyen-Krise eine "äußerst unglückliche Rolle" gespielt habe und sich bei der Verteidigung des Schweizer Bankgeheimnisses "zu passiv" verhalten habe.
Umstrittene Libyen-Reise
Der liberale Politiker hatte im August 2009 überraschend die libyschen Hauptstadt Tripolis besucht, um die Freilassung von zwei dort inhaftierten Schweizern zu erreichen. Die Festnahme stand im Zusammenhang mit dem Vorgehen der Schweizer Justiz gegen den Sohn des libyschen Revolutionsführers Muammar al-Gaddafi, Hannibal. Merz kehrte jedoch mit leeren Händen von seinem als Canossagang empfundenen Besuch zurück. Erst im Juni kamen die Schweizer nach einer EU-Vermittlungsinitiative frei.
Nach dem Rücktritt von Merz sind nun bereits zwei der sieben Sitze im Bundesrat (Regierung) vakant. Anfang Juli hatte bereits das dienstälteste Regierungsmitglied, der sozialdemokratische Verkehrsminister Moritz Leuenberger, seine Demission mit Jahresende verkündet.
Beobachter erwarten, dass sich bei der Wahl der neuen Bundesräte die Erosion der langjährigen "Zauberformel" zur Besetzung von Regierungsposten im Parteienproporz weiter fortsetzen wird. Dieser (ursprünglich 1959 ausgehandelten und zuletzt zugunsten der SVP modifizierten) Formel zufolge stellten Sozialdemokraten (SP), Freisinnige (FDP) und Volkspartei (SVP) je zwei Bundesräte, die Christdemokraten (CVP) einen. Bei der Bundesratswahl 2007 wählte aber eine Mitte-Links-Mehrheit im Parlament statt des offiziellen SVP-Kandidaten Christoph Blocher seine Parteikollegin Eveline Widmer-Schlumpf zur Justizministerin. Sie wurde daraufhin aus der SVP ausgeschlossen. Die SVP erhebt nun Anspruch auf den Sitz Leuenbergers, während die Grünen als größte Oppositionsparteien bei der Wahl des Merz-Nachfolgers ins Rennen gehen wollen. (APA)