Foto: Solmaz Khorsand
Foto: Solmaz Khorsand

Sie ist Afghanistans ungewolltes Aushängeschild. Kein anderes Produkt (abgesehen vom Opium) hat es jenseits von Afghanistans Grenzen zu solcher Bekanntheit gebracht.

Ali, der Burka-Verkäufer meines Vertrauens, erklärt mir das Geschäft. Die meisten Burkas werden in China hergestellt, nur das Gitter ist afghanische Handarbeit. Die Preise reichen von sechs Dollar bis 70 Dollar, zumindest in seinem Geschäft. Für den Laien sind die Unterschiede schwer auszumachen, manche haben mehr Stickereien aufzuweisen, manche weniger, einige sind grün, andere weiß, mehr Variationen sind nicht erkennbar.

Zum Stillen perfekt

Vorab, diese Dinger sind unglaublich heiß. Reinstes Polyester, das einem keine Luft zum Atmen lässt. Dabei reichen sie vorne nur bis zu den Handgelenken, an den Seiten bis zum Boden. Afghaninnen tragen sie dann wie ein Cape, das sie je nach Bedarf um ihren Körper werfen. Zum Stillen scheinen Burkas perfekt zu sein, nicht selten zieht eine Afghanin ein sattes Neugeborenes unter dem blauen Stoff hervor. Es ist beeindruckend wie diese Frauen auf Absätzen durch Kabul watscheln, gelegentlich zwar an ihre Mitmenschen stoßen, aber im Grunde ein souveränen Auftritt absolvieren.

Bei mir sieht das alles etwas anders aus. Ich schaffe es noch nicht einmal aus dem Geschäft. Zum einen wegen besagter Atemnot, zum anderen weil ich schlichtweg nichts sehe. Mein Modell hat ein besonders engmaschiges Gitter, sodass ich erfolglos an allen möglichen Seiten zupfe um mein Blickfeld zu erweitern. 

Spektakel

Mit einem Mal verschwinde ich hinter dem dicken blauen Polyester, bin hilflos, weil quasi blind, und auf meine Mitmenschen angewiesen. Ich werde richtig wütend und beginne den Stoff zu verfluchen. Ein Spektakel für die Belegschaft.

Unsicher tapse ich durch das Geschäft, versuche die Stufen zum Ausgang hinunterzusteigen und lande prompt auf dem Hintern. Vorbei ist es mit dem Experiment. Und ich bin so dankbar. (Solmaz Khorsand aus Kabul, derStandard.at, 5.8.2010)