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Der Bus auf der A7 - im Gefolge mehrer Polizeiautos

Foto: APA/ Rainer Jensen

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Dutzende Feuerwehr- und Krankenwagen postierten sich in der Nähe des Busses

Foto: REUTERS/Christian Charisius

Bremen/Hannover - Es war die zweite Busentführung in zwei Wochen in Deutschland: Ein bewaffneter Mann brachte am Freitag in Bremen einen Linienbus mit 15 Insassen, unter ihnen mehrere Kinder, in seine Gewalt und zwang den Lenker zu einer stundenlangen Fahrt über die Autobahn. Mehrfach ließ der Gewalttäter Geiseln frei, die Polizei verhandelte mit ihm und hielt dem Bus ansonsten die Fahrtstrecke frei. Kurz nach 16 Uhr gab der Täter auf und ließ sich festnehmen.

Islamistischer Hintergrund

Die unblutig zu Ende gegangene Busentführung von Bremen hatte nach Angaben des Bremer Innensenators Kuno Böse (CDU) "eindeutig einen islamistischen Hintergrund". Die Eltern des 17 Jahre alten Jugendlichen hätten am Vortag bei der Polizei eine Vermisstenanzeige gestellt, sagte er am Freitagabend in Bremen. Sie hätten Briefe gefunden, aus denen hervorging, dass ihr Sohn sich in den Nahen Osten begeben wollte, um als "Gotteskrieger" gegen Israel zu kämpfen.

Brief - Nach Freilassung von islamischen Gefangenen verlangt

Der im Libanon geborene junge Mann war nach Böses Angaben im vergangenen Jahr eingebürgert worden und wohnte in Bremen. Er habe in einem Brief die Freilassung von islamischen Gefangenen verlangt. Diese sollten nach München gebracht werden, wo sie der Geiselnehmer mit dem Bus abholen und weiterfahren wollte. Der Entführer habe in dem Brief erklärt: "Jeder Widerstand ist zwecklos. Ich bin nicht allein. Sollte ich diese Mission nicht schaffen, dann liegen große Teile Hannovers in Schutt und Asche."

Bombe

Der Mann habe in dem Brief weiter geschrieben, dass er mit einer Schusswaffe und einer chemischen Bombe bewaffnet sei. "Wenn die Bombe hochgeht, dann ist ein Umkreis von zwei Kilometern chemisch verseucht." Der Täter habe angegeben, es gebe einige Männer, die die Entführung verfolgten und aufpassten, dass er durchkomme.

Geiselnehmer hatte Schreckschusspistole bei sich

Ein Polizeisprecher sagte am Abend, man habe den Täter während seiner Aktion nicht unterschätzen dürfen. Er habe nur eine Schreckschusspistole bei sich gehabt. Die Art der Pistole sei aber erst nach der Festnahme klar gewesen. Außerdem hatte er vier mit Spiritus gefüllte Flaschen dabei.

Mehrere Fahrgäste freigelassen

Der 25-jährige Mann war am frühen Vormittag im Stadtgebiet von Bremen in den Bus der Linie 120 gestiegen und hatte den Busfahrer mit einer Waffe bedroht. Später ließ er drei Fahrgäste frei, danach fünf, danach weitere.

Der Bus fuhr, gefolgt von mehreren Fahrzeugen, die Autobahn entlang. An den abgeriegelten Zufahrten warteten Krankenwagen und Zivilfahrzeuge der Polizei. Hubschrauber kreisten über der Autobahn. Sicherheitskräfte schirmten den Verkehr auf der Fahrstrecke hinter dem Autobus ab.

Fahrzeug gestoppt

Schließlich kam der Bus vor Hildesheim zum Stehen. Der Entführer habe den Wagen von sich aus anhalten lassen, die Polizei habe das Fahrzeug nicht gestoppt, sagte ein Polizei-Sprecher. Der Geiselnehmer gab einen Schuss in die Luft ab, ein Mann mit Kreislaufschwäche durfte das Fahrzeug verlassen.

Verhandlungen begannen, der Geiselnehmer forderte Verpflegung, ein neues Handy und einen zweiten Busfahrer. Er wollte seine Fahrt in Richtung Süden fortsetzen. Und der Mann verlangte nach dem Bremer Oberbürgermeister Henning Scherf (SPD) als Vermittler. Aufgabe

Die Exekutive ging vorerst auf die Forderungen ein. Rund eine Stunde später gelang es den Polizisten, den Verbrecher zur Aufgabe zu bewegen, und sich festnehmen zu lassen. Alle Geiseln blieben unverletzt.

Erst vor zwei Wochen wurde Linienbus in Berlin gekapert

Erst vor zwei Wochen kaperte ein Bankräuber einen Linienbus in Berlin. Die Geiseln wurden bei einer Blitzaktion der Polizei befreit; sie blieben unverletzt, der Kidnapper wurde angeschossen.

Unwillkürlich werden auch die Bilder vom Geiseldrama im nordrhein-westfälischen Gladbeck 1988 wach, als Geiselgangster auf ihrer Flucht ebenfalls in Bremen einen Bus mit 35 Menschen kaperten. Tote, Verletzte und jede Menge Kritik an der Arbeit der Polizei und der Medien waren damals die Folge. Die Entführungstragödie dauerte 54 Stunden. (apa,Reuters, dpa, DER STANDARD Printausgabe 26/27.4.2003)