Anthonis van Deyck's "Bildniss der Maria de Tassis"

Foto: LIECHTENSTEIN MUSEUM. Die Fuerstlichen Sammlungen

Johann Kräftner rüstet das Liechtenstein Museum, das im März 2004 eröffnet wird, für den anstehenden Verdrängungswettbewerb auf: Der Direktor erwirbt nur die schönsten Stücke. Sein Ankaufsbudget dürfte letztes Jahr beinahe zehn Millionen Euro betragen haben.


Wien - Jahre lang stand Johann Kräftner in Wilfried Seipels Diensten: Für den Generaldirektor des Kunsthistorischen Museums (KHM) gestaltete der Architekt und Publizist Ausstellungen. Doch künftig wird er einer der größten Rivalen von Seipel sein. Denn im Mai 2002 wurde Kräftner von Fürst Hans Adam II. zum Direktor der Liechtensteinschen Kunstsammlungen ernannt. Und fand mit seinem Plan, einen Teil der Schätze künftig wieder in Wien zu präsentieren, Gehör: Seit letztem Sommer wird das Palais, in dem das Museum moderner Kunst bis zu seiner Übersiedelung ins Museumsquartier untergebracht war, um rund 20 Millionen Euro restauriert.

Die Eröffnung ist für Ende März 2004 vorgesehen. Und Kräftner will sogleich mitmischen in der Museumslandschaft: 300.000 Besucher pro Jahr sind sein Ziel. Denn dann bilanziere sein Haus ausgeglichen. Doch der Markt scheint ziemlich gesättigt. Was Kräftner bewusst ist: "Wir müssen uns die Besucher streitig machen. Das wird ein beinharter Verdrängungskampf. Und das geht nur mit Strategien." Zum Beispiel mit dieser: Weil kein Hahn (zumindest in Japan) nach der Kunst des Biedermeier kräht, bietet Kräftner die Künstler jener Epoche als Zeitgenossen von Mozart und Schubert an: "Da kriegen alle wässrige Augen."

Gustostückerln alter Meister

Zudem setzt er auf die Gustostückerln alter Meister. Die Liechtensteinsche Sammlung hat deren zwar viele (rund 1500 Gemälde, 500 Skulpturen und Grafiken sonder Zahl), sie ist aber lange nicht mehr, was sie vor 1938 gewesen war: Die Fürsten mussten bis in die 70-er Jahre viele Bilder verkaufen. Doch Fürst Hans Adam II., nicht unbedingt ein Freund der Malerei, gab Kräftner den Auftrag, den Bestand wieder zu erweitern.

Der Versuch, Das Massaker der Unschuldigen von Peter Paul Rubens bei Sotheby's zu ersteigern, misslang leider: Das Gemälde, bis 1920 Teil der Sammlung (irrtümlich zugeschrieben Jan van den Hoecke), wechselte im Juli 2003 um sagenhafte 77,3 Millionen Euro den Besitzer. Da konnte Kräftner nicht mithalten.

Aber ein halbes Jahr später schlug er zu: In New York ersteigerte Kräftner um 2,7 Millionen Euro das Porträt eines Herren von Frans Hals. Das Bildnis ist in Wien bestens eingeführt: Es gehörte bis 1938 den Rothschilds und hing fortan im KHM. 1998 wurde es zusammen mit Tausenden anderen Preziosen restituiert. "Wir hatten früher etliche Hals. Es ist schön, dieses Gemälde wieder in Wien zu haben", sagt Kräftner. "Es passt wunderbar zu unser großen Reihe von wichtigen Van-Dyck-Porträts. Ich versuche auch, an einen Rembrandt heranzukommen. Weil auch alle unsere Rembrandts verkauft wurden."

Er wird schon einen finden. Zumal das Portemonnaie prall gefüllt ist: Bis zu einer respektablen Summe darf Kräftner ohne Rückfrage einkaufen, alle anderen Erwerbungen müssen vom Beirat abgesegnet werden, dem unter anderem Reinhold Baumstark, der Chef der Pinakothek in München, angehört: "Wir treffen uns ein paar Mal im Jahr. Und wenn es zwischendurch einen Hals gibt, dann sind eben ein paar heiße Telefonate notwendig."

"Schlampige Liste!"

Zwischendurch einen Hals, so als Snack: Die Liste der Erwerbungen 2002 ist beachtlich. Zwei Gemälde von Ferdinand Georg Waldmüller, drei Bronzeskulpturen von Massimiliano Soldani Benzi, ein Blumenstillleben von Jan van Huysum, ein Blei-Zinn-Relief von Johann Martin Fischer, zwei Terrakotta-Bozetti von Giovanni Guiliani et cetera.

Dabei ist die Liste nicht einmal komplett, wie Kräftner zwischendurch "vaduzt" feststellt: Er hat auch einen Rottmayr gekauft, eine Ansicht des Pantheon von Panini und noch einen Waldmüller, das Porträt des Wirten in der Prater-Au: "Eine schlampige Liste!" Den grantigen Herrn stöberte Kräftner im Kunsthandel auf. Natürlich wälzt er auch alle Auktionskataloge. Aber zumeist ist er mit privaten Anbietern konfrontiert: "Dauernd kommen Anrufe. Erst gestern hat mir jemand einen Rembrandt und einen Raffael angeboten. Diese Ware ist zumeist falsch oder schlecht, aber ich schau mir jedes Bild an. Auch wenn es ein dauerndes Herumfliegen bedeutet. Denn auf diese Tour hab ich einen sehr schönen Rubens gekauft: Christus triumphiert über den Tod und die Sünde."

Seine Sammlungsstrategie ist denkbar banal: "Das Beste vom Besten." Konkret: "Ich möchte Lücken - wir haben fast keine römische Barockmalerei und auch keine Neapolitaner - schließen und Schwerpunkte verdichten: Wir sind von Anfang an eine international ausgerichtete Sammlung gewesen, haben z.B. erstklassige Rubens. Wenn es einen wirklich tollen Rubens am Markt geben sollte, werden wir uns darum bemühen. Warum denn nicht?"

"Geld spielt ohnedies keine Rolle."

Ja, warum nicht! Geld spielt ohnedies keine Rolle. Jedenfalls so lange die Unternehmen des Fürsten, darunter das Bankhaus "Liechtenstein Global Trust", florieren. Wie viel er pro Jahr ausgeben darf? Die Spalte, in der die Summen eingetragen sind, hat Kräftner fein säuberlich vom Blatt abgerissen. Aber zehn Millionen Euro werden es 2002 schon gewesen sein. "Nein, nicht ganz. Es waren auch unglaublich günstige Sachen darunter."

Seine Rivalen dürfen dennoch vor Neid erblassen: Seipel standen 2001 rund 2,7 Mil 5. Spalte lionen Euro für Ankäufe zur Verfügung und Edelbert Köb, dem Direktor des Museums moderner Kunst, gar nur eine Million. Und so sagt Kräftner nicht ohne Stolz: "Es ist reizvoll, Bilder, die in der Sammlung fehlen, erwerben zu können. Ein anderer kann Lücken nur temporär füllen - in Form von Ausstellungen."

Früher einmal gaben die Fürsten auch Aufträge. An Belotto, Rigaud, auch an Makart und Lenbach. Aber diese Tradition ist irgendwann abgerissen. Und so endet die Sammlung im 19. Jahrhundert. Aufträge zu geben, kommt für Kräftner nicht in Frage. Und neue Gebiete - zum Beispiel Impressionismus - eröffnen will er auch nicht: "Da würde ich nur mehr zweitklassige Ware bekommen." Das Beste ist schließlich gut genug. (DER STANDARD, Printausgabe vom 24.4.2003)